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Sami Khedira: „Ich war nach der WM fix und fertig, doch jetzt spüre ich: Mein Weg ist noch nicht zu Ende, es gibt schon noch  ein paar Titel zu gewinnen“ shutterstock.com/ Photo Works

Sami Khedira im Interview zur EM 2016

Nationalspieler Sami Khedira „Aufgeben war für mich noch nie eine Option!“

Bei der Fußball-EM in Frankreich zählt er zu den Schlüsselspielern der deutschen Elf. Bei uns verrät Sami Khedira, wieso ihn seine Verletzungen noch stärker gemacht haben, wie er Rückschläge wegsteckt – und wie wir Europameister werden

Men's Health: Als amtierender Weltmeister den EM-Titel zu gewinnen, das ist noch keiner deutschen Fußball-Nationalmannschaft gelungen.

Sami Khedira: Dann wird’s höchste Zeit! Nein, im Ernst: Uns ist klar, dass wir ein starkes Team sind, und wir gehen mit dem Ziel ins Turnier, am 10. Juli in Paris den Pokal zu gewinnen. Es ist aber nicht so, dass wir sagen: „Hey, wir sind das beste Team der Welt, was soll uns da bei einer EM schon passieren.“ So zu denken, wäre fatal.

Das heißt: selbstbewusst ja, siegessicher nein.

Genau. Für die anderen Teams ist das Spiel gegen den Weltmeister eine besondere Herausforderung. Wir sind die Mannschaft, der man ein Bein stellen möchte. Schon in der EM-Qualifikation haben wir gemerkt, dass die Gegenspieler gegen uns zwei, drei Prozent konzentrierter und aggressiver zu Werke gehen. Wenn wir nicht an die absolute Leistungsgrenze gehen, wird das bestraft. Dieser Situation sind wir uns bewusst. Die meisten von uns spielen in europäischen Top-Clubs — der Druck, gewinnen zu müssen, ist also nichts Neues.

Das WM-Finale haben Sie verpasst, weil Sie beim Aufwärmen einen Schmerz in der Wade spürten. Bereuen Sie, es nicht probiert zu haben? 

Nein. Der Erfolg der Mannschaft steht über dem des Einzelnen — insofern durfte ich nicht angeschlagen ins Spiel gehen. Aber ich gebe zu, diese Entscheidung war einer der bittersten Momente meiner Karriere. 

Sami Khedira: „Ich war nach der WM fix und fertig, doch jetzt spüre ich: Mein Weg ist noch nicht zu Ende, es gibt schon noch  ein paar Titel zu gewinnen“
shutterstock.com/ CP DC Press
Khedira: "Es gibt für mich nach wie vor nichts Schöneres, als mit den Besten gegen die Besten der Welt zu spielen."

Auch wenn’s wehtut, das müssen Sie erklären.

Na ja, wir reden hier von einem WM-Finale. Dem größtmöglichen Spiel für einen Fußballer. Dem Spiel, von dem man als kleiner Junge träumt. Und dann, beim Aufwärmen, spüre ich plötzlich dieses Zwicken in der Wade. Nein, bitte nicht, dachte ich. Das darf jetzt nicht wahr sein! Nicht jetzt, bitte! Es tat so weh, von außen zuschauen zu müssen. Den Jungs nicht helfen zu können. Die ersten 20 Minuten der Partie habe ich gar nicht richtig mitbekommen, ich war wie in Trance. Aber dann habe ich mich darauf besonnen, der Mannschaft von außen Power zu geben. Als Spieler merkt man auf dem Platz, wenn die Bank mitgeht.

Wäre ein Einsatz im EM-Finale also auch eine Art persönliche Wiedergutmachung für Sie? 

So sehe ich das nicht. Noch einmal: Im Fußball geht es nicht um den Einzelnen. Deshalb formuliere ich für mich für die EM auch nicht das Ziel: „Ich will im Finale auf dem Platz stehen“, sondern: „Ich will dem Team in meiner bestmöglichen Verfassung zur Verfügung stehen und dabei helfen, Europameister zu werden.“

Seit 7 Jahren sind Sie Nationalspieler. Wie hat sich in der Zeit Ihr Standing im Team verändert?

Auch wenn es für mich komisch klingt: Mit 29 Jahren gehöre ich zu den Erfahrensten. So ist mein Standing im Team natürlich ein anderes als etwa bei meinem Länderspieldebüt 2009. In der Nationalelf zähle ich mich neben Spielern wie Basti Schweinsteiger, Mats Hummels oder Manuel Neuer zu denen, die vorangehen und jungen Spielern als Ansprechpartner dienen.

Sami Khedira, der Führungsspieler? 

Ach, was genau ist das denn, ein Führungsspieler? Manche gehen aggressiv zu Werke, die hauen auch mal einen weg, um ein Zeichen zu setzen. Ich interpretiere diese Rolle anders. Seit der Jugend beim VfB Stuttgart bin ich es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen — schon da war ich der Kapitän. Aber auch ich gucke mir von anderen, die ein Team führen, noch manches ab.

Von wem beispielsweise? Etwa von Gianluigi ... 

... Buffon, ganz genau! Gut getippt! 

Danke, war ja nicht so schwer. Er ist halt eine Legende, ein Vorbild für alle Sportler und Fans.

Gigi hat eine ganz spezielle Ausstrahlung, er vermittelt uns schon weit vor dem Spielbeginn unheimlich viel Sicherheit. Zuerst ist er sehr ruhig. Aber je näher das Spiel rückt, desto fokussierter, aktiver wird er und pusht die Mannschaft. Buffon ist auch abseits des Platzes ein sehr angenehmer Mensch, der jeden neuen Spieler herzlich willkommen heißt. In meinen Augen interpretiert er die Rolle des Führungsspielers sehr gut.

Liga, Pokal, Champions League, Länderspiele — wie bereiten Sie Ihren Körper auf die Belastung vor?Liga, Pokal, Champions League, Länderspiele — wie bereiten Sie Ihren Körper auf die Belastung vor?

Indem ich versuche, so umfassend und ganzheitlich wie möglich zu trainieren. Der Fußball wird immer schneller und athletischer, entsprechend komplex sind die Anforderungen, denen wir uns als Profis stellen müssen. Zusätzlich zum Training bei Juventus arbeite ich privat mit Fitness-Coaches und Neurologen, um mich in vielen Bereichen zu verbessern. Dazu zählen eben nicht nur die Klassiker wie Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer, sondern auch Reaktionsschnelligkeit sowie Konzentrations- und Antizipationsfähigkeit. Schrauben, an denen ich drehe, um mich stetig weiter zu verbessern.

Gehen Sie dabei gerne in den Kraftraum? 

Ja, durchaus. Allerdings greife ich dort dann nicht zur Langhantel und mache einen Bizeps-Curl nach dem anderen oder so. Das sorgt dafür, dass man am Strand cool aussieht. Auf dem Fußballplatz bringt es mir aber nichts. Ich arbeite fußballspezifisch, mache Übungen, die mich explosiver und antrittsschneller machen und dafür sorgen, dass ich mich von einem Gegenspieler lösen oder in einem Zweikampf dagegenhalten kann.

Kämpfen mussten Sie nicht nur auf dem Platz. Immer wieder warfen Verletzungen Sie zurück. Haben Sie Angst vorm nächsten Rückschlag?

Bezogen auf den Fußball existiert der Begriff Angst in meinem Wortschatz nicht. Mir ist bewusst, dass im Fußball Verletzungen dazugehören. Es passiert häufig, dass sich Spieler nach einer langen Saison verletzen und eine EM oder WM verpassen. Alles, was ich tun kann, ist, so gut es geht präventiv zu arbeiten und das Verletzungsrisiko zu minimieren. Wissen Sie, was im Grunde das Frustrierendste an einer Verletzung ist?

Dass es urplötzlich heißt: Rehaklinik stattTrainingsplatz, zuschauen statt mitkicken?

Nicht nur das. Natürlich ist es hart, jedes Mal wieder bei null anzufangen. Normalerweise trainiere ich täglich, alle drei Tage steht ein Spiel an. Und plötzlich kannst du nicht einmal mehr 20 Meter am Stück allein gehen. Das nagt am Ego. Sowohl der Körper als auch der Kopf brauchen einige Zeit, sich daran zu gewöhnen. Nach meinem Kreuzbandriss im November 2013 habe ich für alltägliche Dinge wie Duschen oder Anziehen auf einmal eine halbe Stunde gebraucht. Ständig auf andere angewiesen zu sein, nichts mehr alleine zu können, das ist wirklich eine ganz bittere Erfahrung!

Sami Khedira auf einen Blick:

geboren: 4. April 1987 in Stuttgart

bisherige Vereine:
1992—1995: TV Oeffingen 
1995—2010: VfB Stuttgart
2010—2015: Real Madrid
seit 2015: Juventus Turin
Länderspiele/Tore: 58/5
Größte Erfolge: 
Italienischer Meister 2016,
Weltmeister 2014,
Champions-League-Sieger 2014,
Spanischer Cupsieger 2014,
Spanischer Meister 2012,
Spanischer Cupsieger  2011,
Deutscher Meister 2007

Haben Sie in diesen Momenten einmal daran gedacht, mit dem Fußballspielen aufzuhören?

Nein. Aufzugeben war für mich noch nie eine Option. Im Gegenteil: Ich versuche immer, etwas Positives aus jedem Rückschlag für mich zu ziehen, etwas zu lernen. In der Reha habe ich beispielsweise gelernt, immer nur den nächsten Schritt zu machen, denn ein Schritt zu viel kann dich ganz schnell viele Schritte zurückwerfen. Auch kenne ich meinen Körper jetzt viel besser, weiß genau, was ich ihm wann zumuten kann.

Kaum waren Sie nach Ihrem Kreuzbandriss zurück, gewannen Sie die Champions League und wurden Weltmeister. Happy End, oder? Kaum waren Sie nach Ihrem Kreuzbandriss zurück, gewannen Sie die Champions League und wurden Weltmeister. Happy End, oder? 

Sollte man meinen. Aber ehrlich: Nach der WM war ich total platt und habe mich einfach nur leer gefühlt. Die Verletzung, täglich 10 Stunden Reha, in dieser Zeit gab es nichts anderes für mich. Kein links und kein rechts. Familie, Freunde, ich selbst — alle kamen zu kurz. Ich hatte nur ein Ziel vor Augen: die WM. Tja, und dann war ich plötzlich wieder auf dem Platz, holte die zwei wichtigsten Titel, die ein Fußballer gewinnen kann. Das war megaintensiv und irgendwie zu viel für mich.

Was haben Sie getan, um damit fertig zu werden? 

Ich habe mir eine persönliche Auszeit genommen und mich zurückgezogen. Ich brauchte Zeit für mich. Mir wurde klar, dass es Zeit für eine neue Herausforderung ist, dass ich neue Reize setzen muss, um den Spaß am Fußball zurückzubekommen. Mit dem Wechsel zu Juve begann für mich sportlich wie menschlich ein neues Kapitel, das hat mir gutgetan. Ich bekam wieder Lust, Gas zu geben. Nach der WM war ich mental fix und fertig. Jetzt spüre ich, dass mein Weg noch nicht zu Ende ist. Ein paar Titel gibt’s noch zu gewinnen.

Ist es für Sie noch etwas Besonderes, sich mit den besten Spielern der Welt zu messen, oder hat man sich irgendwann daran gewöhnt?

Es gibt für mich nach wie vor nichts Schöneres, als mit den Besten gegen die Besten der Welt zu spielen. Ich glaube, das ist das Größte für jeden Fußballer. Diesen Anspruch habe ich auch an mich, das treibt mich an. Vor über 70 000 Zuschauern gegen Messi, Iniesta & Co. anzutreten, mit einem Mesut Özil oder einem Paul Pogba an meiner Seite — mehr geht nicht.

Wer war der Beste, mit dem Sie zusammengespielt haben? 

Das liegt auf der Hand und dürfte kaum überraschen: Cristiano Ronaldo ist echt ein Phänomen. Er macht in fast jedem Training Dinge mit dem Ball, die einen staunen lassen. Wie er sich über die Jahre zu Höchstleistungen pusht, wie konstant er Tore am Fließband schießt, das fasziniert mich schon. Ob man ihn als Typ mag oder nicht: Jeder, der sich für Sport interessiert, muss anerkennen, was für ein herausragender Sportler Cristiano Ronaldo ist.

Aller Klasse zum Trotz: Bei der Europameisterschaft wird Cristiano Ronaldo sicher keinen Grund haben zu jubeln, oder?

Das eine oder andere Törchen gönne ich ihm schon. Auch gegen ein Finale gegen Portugal hätte ich nichts einzuwenden. Aber dann, da gebe ich Ihnen Recht, darf für Cristiano gern Schluss sein mit dem Jubeln.

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