Gold’s Gym, Venice, Kalifornien, USA – es ist früher Vormittag. Arnold hat mich zu seinem morgendlichen Fünf-Runden-Schulterzirkel in die legendärste Bodybuilding-Betonhalle der Welt mitgenommen. Wir sind gerade dabei, in die vierte Runde zu starten, da bemerkt Arnold, dass zwei Frauen Fotos von ihm machen. Er unterbricht seine Übung. "Hallo! Wie geht es euch?", fragt er. Ob sie denn wohl Fotos von ihm machen dürften, fragt eine der beiden. "Aber natürlich", sagt Arnold. "Habt ihr das Bild gemacht? Wie sehe ich aus?" – "Fantastisch!" – "Danke, ihr habt mir gerade den Tag versüßt", entgegnet Arnold, und die beiden Frauen lächeln. Kurz darauf steht er hinter mir, während ich Bizeps-Curls absolviere. "Mach das zu deinem besten Satz überhaupt." Ich schaffe 12 Wiederholungen. "Perfekt!", sagt er. Für einen Moment erstarre ich. Hat er das gerade wirklich zu mir gesagt?
Arnold Schwarzenegger: der Social-Media-Star
Es ist ein intensives, rund einstündiges Training, und es gibt einen Einblick in die aktuelle Version eines Mannes, der damit Karriere gemacht hat, sich immer wieder neu zu erfinden. Mit 76 Jahren ist er nicht mehr der explosive Muskelberg, der von der Olympia-Bühne nach Hollywood und dann in die Politik gesprungen ist. Seine Glanzzeiten als Bodybuilder liegen mehr als 40 Jahre zurück. Und auch seine Filme sind seit "Terminator 3" (2003) wesentlich weniger körperbetont. Heute wandelt Schwarzenegger durchs Gold’s Gym eher wie ein rostiger T-800, mit schwerfälligen Schritten und leicht gebeugtem Rücken. Sein Bizeps hat ein wenig nachgelassen, und seine Ellenbogen schmerzen. Er ist sich bewusst, dass jener Körper, der einst den Actionhelden-Standard vollkommen neu definiert hat, so nicht mehr existiert.
Seine aktuelle Mission hängt jedoch nicht vom Zustand seiner Bauch-, Brust und Armmuskeln ab. Um seine Ziele zu erreichen, hat er die Rolle des Influencers angenommen und nutzt schon seit Längerem sehr erfolgreich soziale Medien. In seinem Instagram-Feed sieht man Videos von seinen Haustieren, einem Pony und einem Esel (Whiskey und Lulu). Oder wie er Schlaglöcher in Kaliforniens Straßen repariert. Seine 25 Millionen Instagram-Follower und 6,1 Millionen Fans bei Tiktok beweisen eindrucksvoll, wie relevant Arnold Schwarzenegger noch immer ist.
Arnold Schwarzenegger als Action-Held
Wir alle sind von Arnold beeinflusst worden, ob bewusst oder unbewusst. Vor Schwarzenegger waren Superhelden oft durchschnittliche Typen in hautengem Spandex. Dann kam "Conan der Barbar" (1982) in die Kinos. "Die Leute drehten durch, als sie sahen, dass es tatsächlich einen Kerl gibt, der so aussieht, wie Frank Frazetta ihn einst gezeichnet hatte", sagt Schwarzenegger. Arnold Schwarzenegger als Kombination aus brachialmuskulöser Physis und Kino-Actionheld spornte mich wie viele andere Jungs in der Zeit an, zur jeweils muskulösesten Version unserer selbst zu werden.
Es ist nicht so, dass Schwarzenegger als Vorbild damals perfekt gewesen wäre. Indem er die Bodybuilding-Kultur in das Rampenlicht rückte und öffentlich zugab, Steroide eingenommen zu haben, lenkte er die Aufmerksamkeit auf leistungssteigernde Substanzen. Und mit jedem seiner Blockbuster-Streifen lieferte er Männern ein komplett überzeugendes Argument mehr, die Einnahme von PEDs zumindest in Betracht zu ziehen – schien dies doch der einfachste Weg, die ideale muskulöse Ästhetik aufzubauen, auf diese Weise in Schwarzeneggers Fußstapfen zu treten und zum reichen Megastar zu werden.
Das hat sich an Arnold Schwarzeneggers Training verändert
Natürlich ist das nicht das Fitness-Erbe, das er hinterlassen möchte. Er würde es bevorzugen, mit seinen morgendlichen Workouts im Gold’s Gym in Verbindung gebracht zu werden. Und die gestaltet er heute fast genauso wie in seiner Glanzzeit. Arnold absolviert 25 bis 30 Sätze, oft mit Terminator-Sonnenbrille. Der Fokus liegt jedoch nicht auf roher Muskelkraft. Zwischendurch verbringt der Mann Zeit damit, zu reden und für Fotos zu posieren. Er trainiert, um "am Leben zu bleiben und weiter meine Filme machen zu können".
Schwarzenegger geht auch wegen der Atmosphäre ins Gold’s Gym, die ihn an seine Jugend erinnert, vor rund 60 Jahren im Dörfchen Thal in der Steiermark. Er erinnert sich an seine ersten Klimmzüge an Baumästen, als 15-Jähriger mit seinen Freunden. Damals gelangen ihm lediglich 2 Wiederholungen, aber ältere Gewichtheber prophezeiten ihm, dass er irgendwann 20 schaffen würde, wenn er weiter fleißig übte. Tage später fragten sie ihn, ob er ihrem Gewichtheberclub, Athletik Union Graz, beitreten möchte. Von da an hatte Arnold stets einen Trainingspartner.
Der neue Arnold Schwarzenegger
Schwarzenegger war schon immer ein Meister darin, Chancen zu erkennen, die andere übersehen. "Ich hatte es nicht geplant, der Actionstar in Filmen zu sein", sagt er. "Ich hatte es auch nicht geplant, Gouverneur des Bundesstaates Kalifornien zu werden. Und ich hatte nicht vor, ein Kämpfer für eine saubere Umwelt zu sein oder irgendwas in dieser Richtung. Wenn ich merke, dass es ein Ungleichgewicht gibt ... was zum Teufel ist mit diesen Leuten los? Da springe ich dazwischen." Dazu gehört es in seinen Augen auch sich einzumischen, um Probleme zu lösen, die er mitverursacht hat. Aus dem Grund hat Schwarzenegger in den letzten Jahren hart daran gearbeitet, Fitness-Narrative zu verschieben, von reiner Muskelmasse hin zu langfristigem Wohlbefinden. Also funktional und gesundheitsorientiert zu trainieren statt nur für die Optik – selbstverständlich ohne dabei den Pump aus den Augen zu verlieren.
So trainiert Arnold Schwarzenegger heute
Schwarzenegger trainiert hauptsächlich an Maschinen. Das ermöglicht es ihm, trotz Verletzungen weiter gezielt Muskeln aufzubauen. "Man kann viel besser isolieren", sagt er. Hier seine 3 Favoriten für Menschen jedes Alters.
Rudern
Schwarzenegger hat in seiner Karriere niemals schwere Rückenverletzungen erlitten. Deswegen kann er sich darauf konzentrieren, mittlere Spannung im Rücken zu erzeugen, wenn er Übungen wie diese macht. Das Training trägt dazu bei, die Schultern zu stabilisieren und gesund zu halten. Ziel sind hier 3 Sätze mit jeweils 12 bis 15 Wiederholungen.
Überzüge
Dieser Klassiker ist eine Lieblingsübung von Arnold, die er seit seinen Anfängen im Gold’s Gym in seinem Repertoire hat. Damit trainierst du vor allem den Latissimus, zudem kräftigst du die Bauchmuskeln. Es genügen für den Anfang 3 oder 4 Sätze mit jeweils 10 bis 12 Wiederholungen.
Seitheben
Diese Maschine, die Schultern stärkt, liebt Schwarzenegger so sehr, dass er sie überallhin einfliegen lässt, wenn er auf Reisen ist. 3 Sätze mit jeweils 10 bis 12 Wiederholungen stehen hier an. Bei der letzten Wiederholung jedes Satzes Position 10 Sekunden halten, bevor die Arme sinken.
Was auch immer der junge Arnold getan hat, lässt sich nicht rückgängig machen, aber der Schwarzenegger von heute setzt auf Authentizität – und verabreicht auf verschiedenen Plattformen eine große Dosis Motivation. Sein Training ist deutlich gesundheitsschonender und so schafft er es, auch noch mit 76 Jahren eine fantastische Figur abzugeben.
