Wer schon lange trainiert, der kommt irgendwann an einen Punkt, wo ganz neue Trainingsreize hermüssen. Nicht nur, um ein sogenanntes Trainingsplateau zu überwinden, wenn keine nennenswerten körperlichen Fortschritte mehr erreicht werden, sondern auch um sich mental wieder neu zu motivieren. Wenn auch du viel Gewicht stemmst und dich an unzähligen Übungen abgearbeitet hast, wird es Zeit, für einen komplett veränderten Trainingsmodus. Vielleicht setzt du auch längst intuitiv auf Pyramidentraining. Wir erklären dir, welche Möglichkeiten es nicht nur für Bodybuilder bietet und was du damit erreichen kannst.
Was ist Pyramidentraining?
Wie der Name schon verrät, geht es beim Pyramidentraining, bildlich betrachtet, um ein nach oben zugespitztes Trainingsprinzip im Hinblick auf die Belastung. Es kann sowohl im Kraft- als auch im Ausdauersport Anwendung finden. Im Lauftraining versteht man unter Pyramidentraining Sprints, bei denen die Strecke immer kürzer und dafür schneller zurückgelegt wird.
Im Kraftsport handelt es sich um ein kombiniertes Maximalkrafttraining, welches von der konstanten Belastung, beispielsweise 4 Sätze mit jeweils 12 Wiederholungen, Abstand nimmt und Gewicht und Wiederholungszahl innerhalb eines Trainings variiert. Das Fundament bilden viele Wiederholungen mit wenig Gewicht, im nächsten Satz kommt etwas mehr Gewicht bei weniger Wiederholungen zum Einsatz und zum Schluss wird die Maximalkraft bei nur noch 1 bis 5 Wiederholungen trainiert.
Das Ganze erfordert natürlich etwas mehr Vorbereitung und Übung, denn du musst dich an deine Belastungsgrenzen herantasten und herausarbeiten, wie viel Gewicht in welcher Phase möglich ist und entsprechend umbauen mitten im Training. Hier kann es hilfreich sein, zu zweit zu trainieren.
Du willst nicht lange nachdenken, sondern mit Plan zu mehr Muckis? Hier kommt unser professioneller 8-Wochen-Begleiter für Fortgeschrittene im Gym:
Was bringt Pyramidentraining?
Das sich zuspitzende Trainingsprinzip hat den Vorteil, dass es die sehr unterschiedlichen Trainingsziele clever miteinander kombiniert: Hypertrophie und Kraftausdauer mit geringen Widerständen und hohen Wiederholungszahlen und die Verbesserung der intramuskulären Koordination durch hohe Widerstände bei geringen Wiederholungszahlen. Dies belegt auch eine wissenschaftliche Untersuchung, die im European Journal of Applied Physiology veröffentlicht wurde.
Einfacher ausgedrückt: Du kannst mit Pyramidentraining Muskelmasse aufbauen, deine Ausdauer steigern und gleichzeitig maximale Kraftzuwächse erzielen.
Letzteres erreicht man sonst nur über eine kurze Belastungsdauer, welche das Nerv-Muskel-Zusammenspiel (die intramuskuläre Koordination) eines einzelnen Muskels innerhalb eines gezielten Bewegungsablaufs trainiert. Diese kurze, aber maximale Belastung reicht jedoch nicht aus, um Wachstumsreize im Muskel zu setzen. Der Grund: Strukturelle Anpassungsprozesse werden durch die Aktivierung der langsam zuckenden Muskelfasern (Slow-Twitch-Fasern) erreicht und diese "springen" erst nach einer gewissen Belastungszeit an. Für den Kraftzuwachs kommt es hingegen auf die kurzzeitige Aktivierung der schnell zuckenden Muskelfasern (Fast-Twitch-Fasern) an.
Pyramidentraining ist das Richtige für dich, wenn du:
- schon eine Weile im Gym mit schweren Gewichten trainierst, eine saubere Übungstechnik aufweist und immer gut aufgewärmt ins Training startest,
- dir Abwechslung im Training wünscht für den Kopf und auch den Körper,
- dir intensive Trainingsreize erhoffst, sowohl im Bereich Muskelaufbau als auch Kraftsteigerung,
- Zeit und Lust hast, mit Wiederholungen und Gewicht zu spielen und deine Maximalkraft in jeder Übung ermitteln und steigern möchtest,
- deine körperliche Grenzen neu ausloten und deine Muckis bis zur Erschöpfung trainieren willst,
- du dein Selbstbewusstsein pushen und nicht nur auf Optik setzt, sondern ordentlich was bewegen willst.
So könnte dein Pyramidentraining aussehen
In der Sportwissenschaft unterscheidet man zwischen unterschiedlichen Methoden der Pyramide: Je nachdem, ob dein Trainingsziel eher Muskelaufbau oder Kraftzuwachs ist, baust du das Fundament beziehungsweise die Spitze der Pyramide entsprechend aus. Wir haben im Folgenden einige der bekanntesten Beispiele für dich.
Hinweis: Die prozentualen Angaben zum maximal möglichen Gewicht dienen der groben Orientierung. Natürlich kannst und solltest du das Gewicht insgesamt herabsetzen und im unteren Belastungs- und hohen Wiederholungsbereich beispielsweise mit nur 40 bis 50 Prozent deines Maximalkraftgewichts starten und dann jeweils um 10 Prozent erhöhen, wenn Einsteiger bist. Vielleicht sind dafür mehr als 15 Wiederholungen drin. So kannst du zunächst ein Gefühl für die neue Belastung entwickeln. Die Qualität deiner Übungsausführung steht immer an erster Stelle. So wärmst du dich allgemein und speziell richtig auf vor dem Training.
Die Pausenzeit zwischen den Sätzen sollte immer bei einer bis zwei Minuten liegen.
1. Die klassische Pyramide
Die normale Pyramide setzt den Fokus auf den Kraftzuwachs und bewegt sich daher im Bereich unter zehn Wiederholungen. Sie könnte so aussehen:
- Satz: 10 Wdh. bei 70 % Kraft
- Satz: 6 Wdh. bei 85 % Kraft
- Satz: 2 Wdh. bei 95 % Kraft
- Satz: 1 Wdh. bei 100 % Kraft
2. Die abgeschwächte Pyramide
Strebst du weiterhin überwiegend Muskelwachstum an, musst du die langsam zuckenden Muskeln effektiver anregen, sich zu verdicken. Das gelingt mit einer längeren Belastungszeit, zum Beispiel so:
- Satz: 12 Wdh. bei 60 % Kraft
- Satz: 10 Wdh. bei 70 % Kraft
- Satz: 8 Wdh. bei 80 % Kraft
- Satz: 6 Wdh. bei 85 % Kraft
3. Die umgekehrt abgeschwächte Pyramide
Fortgeschrittene trainieren mit der umgekehrt abgeschwächten Pyramide zunächst ihre Kraft und reduzieren dann immer weiter das Gewicht zugunsten des Muskelwachstums. Diese Form des Pyramidentrainings birgt jedoch ein erhöhtes Verletzungsrisiko und erfordert ein gutes Warm-up und eine absolut saubere Übungstechnik. Sie hat den Vorteil, dass sie nochmal beide Ziele neu kombiniert und neue Reize setzt, wenn du schon eine Weile Pyramidentraining machst:
- Satz: 6 Wdh. bei 85 % Kraft
- Satz: 8 Wdh. bei 80 % Kraft
- Satz: 10 Wdh. bei 70 % Kraft
- Satz: 12 Wdh. bei 60 % Kraft
5. Die doppelte Pyramide
Bei der doppelten Pyramide wird die Wiederholungszahl verdoppelt. Die Belastungsspitze mit der höchsten Intensität (höchstes Gewicht) liegt in der Mitte und danach startest du umgekehrt von vorn. Diese Methode dauert länger und erfordert mehr Kraftausdauer, verspricht aber gute Hypertrophie-Effekte, wenn du mit der abgestumpften Pyramide irgendwann nicht mehr weiter kommst:
- Satz: 12 Wdh. bei 60 % Kraft
- Satz: 10 Wdh. bei 70 % Kraft
- Satz: 8 Wdh. bei 80 % Kraft
- Satz: 6 Wdh. bei 85 % Kraft
- Satz: 6 Wdh. bei 85 % Kraft
- Satz: 8 Wdh. bei 80 % Kraft
- Satz: 10 Wdh. bei 70 % Kraft
- Satz: 12 Wdh. bei 60 % Kraft
Wie ermittle ich meine Maximalkraft?
Die Prozentangaben oben sind zwar anschaulich, aber was bedeutet das nun konkret für deine Trainingspraxis? Probieren geht über Studieren! Für die dynamisch-progressive Bestimmung deiner individuellen Maximalkraft, die sich natürlich mit dem Training stetig verbessert und im Zweifel immer wieder neu angepasst werden muss, gehst du folgendermaßen vor:
Wär dich gut auf, übe zunächst mit wenig Gewicht und dann lade das Gewicht auf, von dem du annimmst, nur eine einzige, trotzdem noch sauber ausgeführte, Wiederholung zu bewältigen. Geschafft? Gut, dann steigere dein Gewicht etwas und pausiere 3 Minuten. Versuche dich erneut an einer einzigen Wiederholung. Da geht noch was? Dann fahre so fort, bis du die Übung nicht mehr schaffst. Deine 100 Prozent Maximalkraft sind das Gewicht, mit dem du nur eine Wiederholung sauber absolvierst. Danach kannst du dir mithilfe dieser Tabelle ausrechnen, wie viel Gewicht du für weniger Maximalkraft benötigst.
Welche Übungen eignen sich für das Pyramidentraining?
Du kannst das Prinzip Pyramidentraining theoretisch für alle deine Kraftübungen anwenden. In der Praxis ist es jedoch sinnvoll, auf die komplexen Grundübungen zu setzen, die "Big Five": Kniebeuge, Latziehen, Kreuzheben, Bankdrücken, Schulterdrücken. Sie bieten den Vorteil, dass mehrere Gelenke und große Muskeln zeitgleich zum Einsatz kommen und du so mehr Gewicht bewegen kannst als bei isolierten Armübungen etwa. Grundsätzlich solltest du zunächst mit wenigen Übungen ins Pyramidentraining starten und den Trainingsumfang von einer Stunde nicht überschreiten, sondern dein Training dann lieber splitten, etwa in getrenntes Ober- und Unterkörpertraining oder Push-Pull-Beine-Training.
Fazit: Mit Pyramidentraining kannst du nur gewinnen
Pyramidentraining ist perfekt geeignet, um unterschiedliche Anpassungsprozesse innerhalb eines Workouts anzuregen: Muskelaufbau plus Steigerung der Kraftausdauer und Maximalkraft. Vorausgesetzt, du trainierst gut aufgewärmt und sauber, da das Verletzungsrisiko höher ist als bei konstantem Training. Wer den Fokus seiner persönlichen Trainingspyramide entsprechend ausrichtet, kann auch einzelne Ziele effektiver verfolgen. Du kannst mit Belastungsreizen spielen und deine Grenzen komplett neu ausloten. Hier kommt auf jeden Fall viel Abwechslung ins Training. Dafür ist jedoch etwas mehr Zeit im Gym und die Auseinandersetzung mit deiner deinen aktuellen maximalen Kraftfähigkeiten vonnöten. Nimmst du die Herausforderung an?
Erwähnte Quellen:
Campos, Gerson & Luecke, Thomas & Wendeln, Heather & Toma, Kumika & Hagerman, Fredrick & Murray, Thomas & Ragg, Kerry & Ratamess, Nicholas & Kraemer, William & Staron, Robert (2002): Muscular adaptations in response to three different resistance-training regimens: Specificity of repetition maximum training zones. European journal of applied physiology. 88. 50-60, zuletzt abgerufen am 07.06.2024.