Es ist die Überraschungsnachricht, auf die die Sportlerwelt, besser gesagt die Bodybuildingszene, gewartet hat: Ja, du kannst mit weniger Gewicht mehr Muskeln aufbauen. Das behaupten zumindest zahlreiche Sportwissenschaftler. Was ist dran an dieser These? Funktioniert das auf Englisch als Light Load (deutsch: Leichte Last) bezeichnete Training wirklich? Wir haben uns ein paar leichte Hanteln geschnappt und es ausprobiert.
Mehr Gewicht mehr Muskeln – oder wie war das noch mal?
Hast du schon einmal ein Muskelpaket mit winzigen Hanteln gesehen? Die Vorstellung, dass ein XXL-Bizeps durch ein "2-Kilo-Gewichtchen" entstanden sein soll, klingt ziemlich absurd, oder? Und doch: Laut einer im Fachjournal Sports Medicine Open (2023) zitierten Studie kannst du auch mit kleinen Gewichten große Muskeln aufbauen – vorausgesetzt, du trainierst so lange, bis deine Muskeln maximal gefordert sind. Bis also jene feinen Mikrorisse entstehen, die dein Körper anschließend mithilfe der Proteinbiosynthese repariert und "zupflastert". Dabei wächst der Muskel, wird stärker und ist beim nächsten Training noch belastbarer.
Kurz gesagt: Beim sogenannten Light Load-Training kommt es nicht auf die Qualität (das Gewicht), sondern auf die Quantität (die Wiederholungen) an.
Trainiere bis zum Limit: Das Muskelversagen zählt, nicht das Gewicht
Auch wenn es sich hart anhört: Der Weg zu größeren Muskeln führt für Profi-Bodybuilder wie Rich Gaspari oder Krafttrainer Greg Doucette nur über Muskelversagen. Wenn du massive Muskelmasse aufbauen möchtest, solltest du demnach immer bis an deine Grenzen trainieren.
Ihre Faustregel lautet: Bei den letzten beiden Wiederholungen solltest du das Gefühl haben, nicht mehr weitermachen zu können. Deine Arme oder Beine werden zittern, dir wird der Schweiß ins Gesicht laufen und deine Muskeln werden brennen.
Info-Box: Was passiert, wenn Muskeln brennen?Dieses Brennen ist kein Warnsignal, sondern ein Zeichen dafür, dass deine Muskeln richtig gefordert werden. Durch die hohe Belastung entstehen winzige Mikrorisse in den Muskelfasern. Das ist der eigentliche Startschuss für Muskelwachstum. In der anschließenden Erholungsphase repariert dein Körper diese Fasern und macht sie dabei stabiler und stärker als zuvor. Genau dieser Anpassungsprozess sorgt dafür, dass du beim nächsten Training mehr leisten kannst.
Muskelqual kannst du auf zwei unterschiedliche Weisen erreichen:
- Mit schweren Gewichten und wenigen Wiederholungen (1 bis 6 Wiederholungen pro Satz)
- Mit geringen Gewichten und vielen Wiederholungen (mehr als 12 Wiederholungen pro Satz)
Der Sportwissenschaftler Brad Schoenfeld wertete in umfangreichen Meta-Analysen aus den Jahren 2016 und 2017 die wichtigsten Studien zum Thema aus und kam zu einem klaren Ergebnis:
Demnach können leichte und schwere Gewichte gleich effektiv Muskelmasse aufbauen, wenn das Trainingsvolumen vergleichbar ist und die Sätze bis nahe ans Muskelversagen geführt werden. Schwere Gewichte scheinen einen kleinen Vorteil beim Muskelwachstum zu haben. Dennoch lässt sich daraus ableiten: Alle Wiederholungsbereiche – selbst sehr hohe mit 30 oder mehr Wiederholungen – können wirksam für den Muskelaufbau sein, solange die Belastung intensiv genug ist.
Tipp: Damit sich deine Muskeln nicht an die Belastungen gewöhnen, ist es wichtig, dass du bei jedem Training neue Reize setzt. Das können beispielsweise schwere Gewichte sein. Aber auch mit langsameren Bewegungen oder längeren Sätzen verlässt du deine Komfortzone und baust Muskelmasse auf.

Der Griff zu leichten Gewichten sollte kein Grund für falsche Scham sein, denn mit ihnen kannst du über mehrere Wiederholungen technisch sauber bleiben.
So funktioniert der Muskelaufbau mit leichten Gewichten
Um Muskeln aufzubauen, brauchst du keine Monsterhanteln. Entscheidend ist nicht das Gewicht, sondern wie intensiv deine Muskeln arbeiten. Orientiere dich bei der Berechnung deines Trainingsgewichts an deinem 1RM-Wert (One-Rep-Max). Das ist das Gewicht, das du bei einer einzigen Wiederholung maximal stemmen kannst. Während Hardcore-Bodybuilder mit 80 Prozent dieses Gewichts trainieren, empfiehlt das Light Load-Training lediglich 30 Prozent. Laut einer Studie von Sports Medicine Open bringt beides denselben Muskelzuwachs, wenn du bis zum Muskelversagen trainierst.
Mit der Mind-Muscle-Connection zum Trainingserfolg
Der Schlüssel zum Erfolg beim Training mit leichteren Gewichten ist die sogenannte Mind-Muscle-Connection (zu Deutsch: Gehirn-Muskel-Verbindung): Spüre bei jeder Wiederholung ganz bewusst, wie sich der Muskel anspannt und kontrahiert. Hebe und senke das Gewicht langsam und kontrolliert. Halte die Spannung für einen Moment, wenn du das Gewicht am höchsten Punkt hast. Genau das sorgt für den brennenden Reiz, der dein Muskelwachstum ankurbelt.
Vorteile des Light Load-Trainings:
- Schonend für Gelenke und Sehnen, ideal bei leichten Verletzungen oder in Regenerationsphasen.
- Perfekt für Home-Workouts ohne viel Equipment – fördert eine saubere Technik und eine stärkere Muskelwahrnehmung.
Tipp: Trainiere bis zum Limit, d. h. bis du keine saubere Wiederholung mehr ausführen kannst. Führe jede Bewegung langsam aus (drei bis vier Sekunden pro Phase), halte die Spannung konstant und konzentriere dich voll auf die arbeitende Muskelgruppe.
Typisch fürs Light-Load-Training sind Bodyweight-Übungen oder konzentriertes Krafttraining mit leichten Gewichten, wie zum Beispiel:
- Langsame Push-ups: 3 Sekunden runter, 1 Sekunde halten, explosiv hoch.
- Kontrollierte Squats: Tiefe Bewegung, langer Spannungsaufbau, kein Schwung.
- Langsame Bizeps-Curls: Gewicht bewusst heben, oben kurz halten, langsam absenken.
Die häufigsten Fragen zum Light Load-Training
Das Beste am Light Load-Training: Du brauchst kaum Equipment. Schon leichte Kurzhanteln, Widerstandsbänder oder sogar dein eigenes Körpergewicht reichen völlig aus, um effektiv Muskeln aufzubauen. Wichtig ist nicht, wie schwer das Gewicht ist, sondern wie du trainierst – nämlich langsam, kontrolliert und mit voller Muskelspannung.
Diese Trainingsmethode ist ideal, wenn du Gelenke schonen, nach einer Verletzung wieder einsteigen oder einfach zu Hause ohne viel Equipment trainieren möchtest. Light Load-Training fördert die Körperwahrnehmung und hilft, Bewegungen technisch sauber auszuführen, das ist perfekt für Einsteiger und Fortgeschrittene gleichermaßen.
Setze auf langsames Tempo, maximale Muskelspannung und eine starke Mind-Muscle-Connection. Spüre jede Phase der Bewegung, vermeide Schwung und halte die Spannung kurz am Peak. So aktivierst du auch ohne schwere Hanteln die Muskelfasern optimal





