Spätestens seit dem ersten Lockdown mit geschlossenen Gyms und nicht stattfindenden Kursen wurden Online-Gyms und Fitness-Tutorials auf Youtube sehr beliebt. Denn mit Angeboten wie Peloton, Freeletics, Asana Rebel und Gymondo kannst du dein Workout bequem im Wohnzimmer absolvieren. Die besten Online-Fitnessangebote im Check findest du hier.
Ende 2021 ging auch Apple mit einem eigenen Fitness- und Sport-Abo-Angebot in Deutschland an den Start. Das Besondere: Die Fitness-Streamingplattform Fitness Plus ist eigentlich eine sportliche Erweiterung für Apples Smartwatch. Kann man mit derartigen Online-Angeboten überhaupt fit werden und wie gut sind digitale Kurse überhaupt? Wir haben das Fitness-Programm 2 Monate getestet und sagen dir, wie fit du damit wirklich werden kannst.

Was bietet Fitness Plus?
Etwa an die 1000 Trainings-, Achtsamkeits- und Meditationsvideos, die alle zwischen 5 bis 45 Minuten dauern. Laut Apple kommen jeden Montag 100 neue Videos dazu, so dass das Angebot stetig wächst. Das Besondere neben dem großen Kursangebot: Fitness Plus ist nahezu perfekt mit den Produkten von Apple vernetzt. Die Videos können vom iPhone, iPad oder Apple TV gestreamt werden. Startest du ein Trainingsvideo, zeichnet deine Apple Watch dieses automatisch auf und überträgt live die Herzfrequenz, verbrannte Kalorien, Trainingszeit und Aktivitätsbalken auf den Bildschirm des iPhones, iPads oder TVs. Bei Kardio-basierten Workouts wie etwa HIIT gibt es zusätzlich eine "Burn Bar", die zeigt, wie viele Kalorien ich im Vergleich zu anderen Teilnehmern verbrenne. Dieses spielerische Echtzeittracking meiner Trainingsdaten soll motivieren und gibt dem Online-Workout eine gewisse interaktive Komponente.
Die Videos sind alle hochwertig in 4K-Auflösung produziert – und haben einen sehr starken Fokus auf Musik. Denn die Playlist des jeweiligen Workouts ist vorher einsehbar, das Trainingsprogramm ist sogar nach Musikgeschmack filterbar. Wer ein Apple-Musik-Abo hat, kann sich die Playlist auch direkt exportieren. Einziges Problem: Das Angebot und damit die Kurse gibt es momentan nur im englischen Original auf Wunsch mit deutschen Untertiteln.
Was für Trainingsprogramme gibt es?
Es gibt Videos für 11 verschiedene Bereiche: Krafttraining, hochintensives Intervalltraining (HIIT), Core, Yoga, Pilates, Tanzen, Laufband, Radfahren, Rudern, Meditation und Cooldown. Eine Einteilung nach Trainingslevel gibt es leider nicht, allerdings werden die Workouts immer von 3 Trainer:innen präsentiert, die jeweils Modifikationen für Einsteiger oder Profis zeigen. Immerhin: Apple hat einige Workouts zu so genannten Collections zusammengefasst, die auf ein bestimmtes Ziel vorbereiten und chronologisch absolviert werden können. Beispiel-Trainingspläne wären etwa " Zum starken Oberkörper in 21 Tagen", "Bessere Haltung durch Pilates", "Deine Core Challenge", " Mit Yoga im perfekten Gleichgewicht" oder "Meistere deinen ersten 5K-Lauf".
Zusätzlich gibt es das Feature "Zeit fürs Gehen", bei denen du per Apple Watch eine Art Podcast-geführten Spaziergang machst, bei dem bekannte Persönlichkeiten Geschichten erzählen, Fotos zeigen und Songs vorstellen. Interessanter für Sportler ist vermutlich die Funktion "Zeit fürs Laufen": Hier präsentieren die Laufcoaches über die Apple Watch eine Laufstrecke in einer bestimmten Stadt (etwa London oder New York) und zeigen zwischendurch Fotos der Sehenswürdigkeiten. Natürlich gibt's eine spezielle Musik-Playlist und Tipps fürs Lauftraining (z.B.: Wie schnell sollte ich laufen?). Dabei muss man natürlich nicht die Originalstrecke laufen, das funktioniert überall und ist sehr unterhaltsam – auch auf dem Laufband. Nach zirka 30 Minuten ist allerdings meist Schluss und es folgt ein Cooldown. Getrackt werden diese Einheiten automatisch.

Was brauche ich für Fitness Plus?
Apples Angebot richtet sich ausschließlich an Apple-User. Du brauchst ein iPhone (ab Generation 6S mit iOS 14.3 oder neuer), beispielsweise das Apple iPhone SE. Für das Tracking benötigst du zudem eine Apple Watch (ab Modell 3 mit mindestens watchOS 7.2). Die Apple Watch Series 7 im ausführlichen Sporttest. Die neuste Apple Watch Series 7 kannst du hier bestellen. Alternativ eignet sich aber auch Die Apple Watch Series 3, die du hier bestellen kannst.
Die Wiedergabe der Trainingsvideos funktioniert auch auf dem iPad (ab iPadOS 14.3) oder dem Apple TV 4K (ab tvOS 14.3) und dem Apple TV HD (ab tvOS 14.3). Tatsächlich benötigst du für die Workouts nicht zwingend eine Apple Watch. Auf dem iPhone und iPad lassen sich die Videos auch ohne Uhr starten, allerdings werden dann auch keine Trainingsdaten getrackt und eingeblendet.
Tipp: Auch ohne Apple TV kannst du die Videos auf den Fernseher bringen, so du einen Smart-TV hast, der Apples AirPlay unterstützt. Auch auf einen Mac kannst du die Videos übertragen.
Für die Workouts selbst brauchst du eine Trainingsmatte und bei den Krafteinheiten sind 2 Paar unterschiedlich schwere Kurzhanteln ratsam. Es gibt allerdings auch viele Trainings, die ohne Geräte auskommen. Für Laufband-, Radfahr- und Ruder-Workouts benötigst du logischerweise ein Laufband, Indoor-Bike oder Ruderergometer.
Wie ist die Bedienung?
Nach der superschnellen Einrichtung finde ich alle Trainings in der Fitness-App von Apple. Dort kann ich filtern: und zwar nach den unterschiedlichen Coaches, der Dauer (5 bis 45 Minuten), der Musikrichtung der Playlist und dem benötigten Zubehör (etwa Hanteln, Matte, Fitnessband, Indoor-Bike, Laufband oder Ruderergometer). Beim Krafttraining kann ich zwischen Unter-, Ober- oder Ganzkörper wählen, beim Yoga den Flow-Style (Slow oder Energetic) bestimmen.

Die Workouts sind nicht nach Schwierigkeitsgrad sortiert. Stattdessen gibt es bei den vorturnenden Coaches im Hintergrund immer jemanden, der oder die eine Vereinfachung zeigt. Auf der Startseite der App werden mir Workouts vorgeschlagen, die zu meinen absolvierten Trainings passen, neu sind oder für Abwechslung sorgen sollen. Die Videos lassen sich auf iPhone oder iPad herunterladen, so dass sich sie auch ohne Internetzugang nutzen kann. Ich kann die Trainings auch pausieren – allerdings nicht vor- noch zurückspulen. Schade. Vermutlich, weil die Trainingsdaten in Echtzeit getrackt werden.
Ohne Englischkenntnisse ist es bei einigen Workouts allerdings schwer möglich, den Anweisungen zu folgen. Es gibt zwar deutsche Untertitel, allerdings kann man beim Yoga oder komplizierten Compound-Moves nicht wirklich gleichzeitig lesen und die Bewegungen der Coaches studieren. Apple hat zwar verlauten lassen, auch lokale Inhalte produzieren zu wollen. Wann das in Deutschland passiert, ist nicht klar.
Nettes Feature: Mit der Shareplay-Funktion kann ich mit bis zu 32 anderen Personen gemeinsam trainieren – so die dann auch Apple-Produkte haben. Per FaceTime kann man sich dabei auch sehen.
Nicht so gut: Außer der Apple Watch lassen sich keine weiteren Geräte oder Sensoren koppeln – auch zum Beispiel kein Trittfrequenzsensor beim Biken.
Wie gut ist das Training?
Die gut zwei Dutzend Coaches sind sehr motiviert und vermitteln in jedem Fall Spaß am Sport. Ich hatte immer das Gefühl, an einem richtigen Kurs teilzunehmen, nicht mit einer App zu trainieren. Offenbar war Apple auch um Diversität bemüht: Die Trainer:innen unterscheiden sich auch in Bezug auf Alter, Background und Fitnesslevel. Inhaltlich sind die Workouts gut durchdacht und abwechslungsreich – haben auch immer funktionale Elemente. Allerdings kommen die Coaches insbesondere bei Kraft-Workouts schnell zur Sache. Eine Einführung mit Ausführungstipps und Sicherheitshinweisen gibt es nicht. Wer schon Trainingserfahrung hat, kommt hier gut klar. Alle anderen sollten sich das Video und die Übungsausführungen besser einmal in Ruhe anschauen, bevor sie mittrainieren. Insbesondere die Kardio-Programme sind sehr motivierend, die Coaches pushen einen regelrecht durch die Intervalle. Top: Countdowns geben an, wie lange die einzelnen Durchgänge und Pausen dauern.
Was kann ich mit dem Training erreichen?
Die Workouts dauern zwischen 5 und 45 Minuten, eignen sich, je nachdem wie viel Zeit ich zur Verfügung habe, also gut für zwischendurch, in der Pause, vor oder nach der Arbeit. Gut: Einsteiger werden nicht total überfordert – auch wenn es unterschiedlich schwere Workouts gibt. Fitness Plus ist super geeignet für Personen, die kaum oder nur wenig Sport treiben. Aber auch regelmäßig Trainierende werden gefordert. Für sehr aktive Sportler sind die Workouts immerhin eine gute Ergänzung. Selbst wer keine Geräte hat, kann sich mit Fitness Plus fit halten. Das es aber bis auf ein paar "Collections" bzw. Trainingsprogrammen keine richtigen Trainingspläne gibt, ist ein zielgerichtetes Training eher schwierig.

Welche Nachteile gibt es?
Erst einmal die eines jeden Workouts im Home-Gym: Du brauchst Platz. Für die meisten Kurse benötigst du etwa 4 Quadratmeter vor deinem Abspielgerät (TV, iPhone oder iPad). Und auch nach oben muss Raum sein, wenn man beim Schulterdrücken mit der Kurzhantel nicht seine Deckenlampe abräumen will. Viele der HIIT-Videos beinhalten zudem Lauf- und Sprungbewegungen. In meiner Wohnung war das trotz Matte viel zu laut, so dass ich einen Großteil der HIIT-Kurse nicht machen konnte.
Insbesondere für Anfänger gilt: Wenn du allein im Home-Gym trainierst, gibt es niemanden, der dich kontrolliert, um beispielsweise Verletzungen zu vermeiden. Du erhältst kein Feedback, ob du die Moves auch richtig machst.
Für Fitness Plus speziell gilt, dass du in jedem Fall Englischkenntnisse mitbringen musst, denn gleichzeitig trainieren und Untertitel lesen funktioniert nicht so gut. Suboptimal ist auch, dass es keine Einteilung für Einsteiger und Fortgeschrittene gibt. Theoretisch sind die Workouts zwar für alle machbar, aber eine gewisse Orientierung bei der Auswahl wäre sehr hilfreich. Und auch wenn viele der Kurse keine oder nur wenige Geräte brauchen: Für die Cycling-, Laufband- oder Ruder-Workouts musst du ins Gym, wenn du die Tools nicht selbst besitzt.
Was kostet Fitness Plus?
Apples Sportplattform gibt's nur im Abo, entweder monatlich für 9,99 Euro oder jährlich für 79,99. Der Dienst ist auch im Premium-Abonnement Apple One (zusammen mit Apple Music, TV Plus, ICloud-Speicher und Spiel Abo) für monatlich 28,95 Euro zu haben.
Bis zu sechs Familienmitglieder können Fitness Plus übrigens gleichzeitig nutzen. Beim Kauf einer Apple Watch ist ein 3-Monats-Abo inklusive, alle anderen dürfen einen Monat lang kostenlos ausprobieren.
Fazit: Für wen ist Fitness Plus geeignet?
Erst einmal für Apple-Kunden, denn ohne die Produkte funktioniert's nicht. Neben dem iPhone wäre ein iPad, Apple TV oder ein Smart-TV mit Airplay praktisch, denn die Workouts sind auf dem kleinen Handy-Display etwas umständlich nachzuturnen.
Wer ein konkretes Trainingsziel verfolgt, wird mit Fitness Plus nicht viel anfangen können, außer ein paar gebündelte Collections bietet der Dienst keine zielgerichteten Trainingsprogramme an. Ich kann in der App auch nichts planen (zum Beispiel dienstags mach ich Oberkörpertraining). Fitness Plus ist kein Workout-Programm, das mit der Zeit immer schwieriger wird. Sondern eher eine Art offenes Gym mit unterschiedlichen Kursen, an denen ich teilnehmen kann. Heißt auch: Um gezielt Muskeln aufzubauen oder Gewicht zu verlieren, brauchst du einen richtigen Trainingsplan.
Aber: Das Kurs-Angebot ist wirklich sehr groß und die Workouts und Coaches sind super motivierend. Plus: Es spornt einen zusätzlich an, dass die eigenen Fitnessdaten direkt im Bildschirm eingeblendet werden. Ein echter Vorteil gegenüber anderen Fitness-Videos, zum Beispiel bei Youtube. Auch top: Ich kann mir Workouts nach Musikgeschmack und Zeiteinsatz wählen.
Für Anfänger, Wiedereinsteiger und Fortgeschrittene sind die Programme gut geeignet, gerade für Personen, die wenig Zeit haben und lieber spontan ein Training starten wollen, anstatt feste Kurszeiten im Gym einhalten zu müssen. Um fit zu werden oder zu bleiben, ist Apples Videoplattform in jedem Fall ein super Tool: Ich konnte mit 3 Fitness-Plus-Einheiten pro Woche durchaus ein paar Corona-Kilos loswerden. Bedingung ist aber: ein Mindestmaß an eigener Motivation. Denn es gibt keine Trainingserinnerungen oder feste Trainingspläne. Die Workouts musst du also selbst timen und starten.