Propriozeptives Training: Tipps, Tools und Übungen

Propriozeptives Training
Dieses 10-Minuten-Training macht dich in jeder Sportart besser

Zuletzt aktualisiert am 14.11.2022
Mann trainiert auf zwei Halbbällen (Bosu Bällen) seine Körperstabilität und Balance im Seitstütz.
Foto: Shutterstock

Du kümmerst dich höchst wahrscheinlich zu wenig um deine Proprio-Rezeptoren. Was für Rezeptoren?
Fangen wir mal so an: Die meisten deiner Gelenke sind bewegliche Verbindungen zwischen zwei Knochen. Sowohl Bänder und Knorpel als auch Muskeln und Sehnen dienen der Stabilisierung. Diese lässt aber unter Umständen nach, ohne, dass du dir dessen bewusst bist. Wir zeigen dir, wie du das Zusammenspiel in deinem Bewegungsapparat perfekt schulst.

Was sind Proprio-Rezeptoren?

Nach Verletzungen oder Operationen, beispielsweise am Kniegelenk, aber auch durch zu wenig, falsche oder einseitige Belastung, verliert man an Gelenkstabilität, da die "Lagemelder", die sogenannten Proprio-Rezeptoren (lat. proprius = eigen, allein angehörig; recipere/receptus = aufnehmen, empfangen) häufig geschädigt sind.

Die unterschiedlichen Sensoren bzw. Rezeptoren liegen in den Muskeln, Sehnen und in der Haut. Bei Beeinträchtigung gelangen weniger Informationen unter anderem über die Gelenkstellung und Muskelspannung an das Gehirn. Die Proprio-Rezeptoren bilden somit die sensorische Rückmeldung des Gelenkes.

Auch Bewegungsarmut in deinem Alltag und die damit verbundene Inaktivität deiner Gelenke führen zu einer schlechteren Tiefensensibilität. Weniger Schutzfunktion und eine geringere motorische Kontrolle sind die Folge. Beispielsweise können dann unerwartete Belastungen den Verlust deines Gleichgewichtssinnes auslösen.

Die Sportwissenschaft (vgl. Quanthe/ Hille, 1999) beschreibt Propriozeption, auch Tiefensensibilität oder Eigenwahrnehmung genannt, als die bewusste und unbewusste Verarbeitung afferenter (hinführender) Informationen über die Gelenkstellung, -bewegung und -kraft durch das zentrale Nervensystem.

Heißt: Die Propriozeption ist die allgemeine Grundlage der motorischen Kontrolle des menschlichen Bewegungssystems. Und wer seine Bewegungen optimal und geschmeidig kontrollieren kann, profitiert in jeder Situation.

Trainiere gezielt die Tiefensensibilität deiner Gelenke

Egal ob du dich in der Rehabilitation befindest, künftigen Beschwerden vorbeugen möchtest oder einfach deine Körperwahrnehmung für mehr Leistungsfähigkeit optimieren möchtest: Durch ein gezieltes Training kannst du deine Kraft, Muskulatur und Gelenkstabilität erheblich unterstützen. Dabei verbesserst du deinen Gleichgewichtssinn und erhöhst die Tiefensensibilität deiner Gelenke. Klingt sinnvoll, oder? Dann zeigen wir dir im Folgenden, wie du dir die Kontrolle über dein gesamtes Bewegungssystem erhältst und diese sogar noch optimierst, sodass du im Alltag sowie in jeder Sportart noch leistungsfähiger wirst!

Diese Hilfsmittel brauchst du für das propriozeptive Training

Als Einsteiger in das Thema Motoriktraining genügt es, zunächst einmal mit dem eigenen Körper zu arbeiten und sich dann im nächsten Schritt die Instabilität von unilateralen (einseitigen) Übungen zunutze zu machen. Du wirst aber erfreulicherweise schnell merken, wie sich deine Tiefenstabilität verbessert, indem dir die Übungen schon nach wenigen Wochen leichter fallen. Dann solltest du aufs nächste Level gehen und Tools dazu nehmen. Die Anschaffungskosten sind im Vergleich zu klassischen Krafttrainings- oder Ausdauergeräten eher gering. Als Hilfsmittel bzw. Trainingsgeräte kannst du beispielsweise Gymnastikbälle, dicke zusammengerollte Gymnastikmatten, Balance Boards, Balance-Kissen sowie Sport- und Therapiekreisel oder einen Halbball, wie den Bosu Ball, verwenden.

5 methodische Tipps für dein propriozeptives Training

Beim propriozeptiven Training hat die Qualität der Bewegungsausführung oberste Priorität. Achte also bitte darauf, dass du deine Übungen konzentriert, kontrolliert und immer gut ausgeruht durchführst. Deine Füße nehmen hierbei eine Schlüsselrolle ein. Deshalb sollten die Übungen, wenn möglich, barfuß ausgeführt werden.

  1. Ausgangsposition: Achte bitte auf eine achsengerechte Körperhaltung und deine korrekte Fuß-, Knie-, Hüft- und Wirbelsäulenstellung.
  2. Inhalt: Setze auf statische und dynamische Übungen. Ziel ist es, den Schwierigkeitsgrad regelmäßig zu erhöhen, z. B. Ausführungen mit geschlossenen Augen zu machen.
  3. Zeitpunkt: Du führst deine Übungen nach dem Aufwärmen und vor dem Krafttraining durch.
  4. Dauer: Abhängig von deinem Trainings- und Leistungszustand solltest du 10 bis 15 Minuten trainieren, und zwar jeweils so lange:
    Bei statischen Übungen empfiehlt sich eine Haltedauer von 5 bis 15 Sekunden.
    Bei dynamischen Übungen machst du zwischen 10 und 25 Wiederholungen.
  5. Vorsicht: Bitte breche die Übung ab, wenn du Konzentrationsprobleme bei der Bewegungsausführung oder Schmerzen im betreffenden Gelenk oder Muskel bekommst. Über die Grenze zu trainieren, ist hier nicht sinnvoll.

Die effektivsten Einsteiger-Übungen für eine verbesserte Tiefensensibilität

Statt dir gleich die ganz wackeligen Trainingsgeräte zu schnappen, startest du erstmal ganz einfach mit deiner bewussten Körperwahrnehmung und Bewegungssteuerung:

  • Im Liegen, Sitzen oder Stehen und bewegst du nacheinander langsam und bewusst dein Fuß-, Knie-, Hüft- und Schulter-, Ellenbogen und Handgelenk. So schulst du zunächst einmal dein Körpergefühl.
  • Danach gehst du in den Einbeinstand mit offenen Augen auf stabilem Untergrund.
  • Wenn das gut geklappt hat, machst du im Einbeinstand mit geschlossenen Augen auf stabilem oder sogar instabilem Untergrund weiter, z. B. auf einer gerollten Fitnessmatte oder einem Balance-Kissen.
  • Als schwerste Option kannst du im Einbeinstand auf dem Therapiekreisel verschiedene Übungen ausführen, z. B. die einbeinige Standwaage oder den Pistol Squat.

  • Alternativ: Du machst Kniebeugen auf einer zusammengerollten Gymnastikmatte oder auf einem Balance-Tool, ebenso wie Ausfallschritte und den Unterarmstütz.

5 Übungen für Wackel-Profis

Du hältst dich schon wacker in der Standwaage? Dann wird es Zeit, für das nächste Instabilitäts-Level. Hier sind fünf herausfordernde Wackel-Übungen für dich und deine Proprio-Rezeptoren:

1. Liegestütze auf instabilem Untergrund

2. Oberkörperrotation mit Gewicht auf instabilem Untergrund

3. Einbeiniges Hüftheben auf dem Gymnastik- oder Bosu-Ball

4. Unterarmstütz mit den Beinen auf dem Gymnastikball

5. Rollouts auf dem Gymnastikball

Für alle Läufer oder ehemaligen Hobby-Fußballer lohnt sich auch das gute alte Lauf-ABC: Skippings, Kniehebelauf, Hopserlauf, Anfersen und Rückwärtslaufen. Einfach mal wieder in die Trainingsroutine einbauen!

Das bringt's, wenn du regelmäßig deine Proprio-Rezeptoren trainierst

Ein allgemeiner Bewegungsmangel, Muskelverletzungen oder Operationen an Gelenken können zu Störungen des Reizsystems führen. Das wiederum bedeutet einen Verlust der Fähigkeit, zielgerichtete, kontrollierte und effektive Bewegungen auszuführen. Die Folge ist, dass du bei alltäglichen und/oder sportlichen Tätigkeiten eingeschränkt bist. Das merkt man selbst oft gar nicht, bis man propriozeptiv trainiert und den Unterschied spürt.

Fazit: Motorik- und Sensorik-Training rundet jedes Workout ab

Ziel des propriozeptiven Trainings ist es, deine Eigenwahrnehmung und die Bewegungsqualitäten wiederherzustellen wie auch nachhaltig zu optimieren. Durch eine entsprechende Schulung deiner motorischen und sensorischen Fertigkeiten kannst du eine deutliche Verbesserung deiner Tiefensensibilität erreichen. So wirst du in jeder Sportart besser. Trotzdem ersetzt diese Art von Training natürlich nicht dein Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining. Es bietet sich an, nach dem Aufwärmen für zirka zehn Minuten einige der hier vorgestellten Übungen zu absolvieren, bevor du dich deinem üblichen Ausdauer- oder Kraftprogramm widmest. Viel Spaß beim Wackeln!

Quellen:

Froböse, I., Nellessen, G. (Hrsg.): Training in der Therapie. Ullstein Medical. Wiesbaden. 1998

Häfelinger, U., Schuba, V.: Koordinationstherapie – Propriozeptives Training. Meyer & Meyer. Aachen. 2002.

Quanthe, M., Hille, E.: Propriozeption. Eine kritische Analyse zum Stellenwert in der Sportmedizin. In: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 50 (1990) 10, S. 306-310.