Für viele klingt der neue Trend aus den USA vielleicht nach dem Stehlen brisanter Informationen aus der digitalen Welt. Weit gefehlt. Was ein Biohacker entschlüsseln will, ist kein Code aus dem World Wide Web, sondern seinen eigenen Körper. Dafür setzt er zum Teil spannende Methoden ein mit dem Ziel, seine Leistungsfähigkeit und sein Wohlbefinden zu optimieren. Wie das funktioniert und wie Sie selbst zum Biohacker werden, erklären hier zwei Experten, die Biohacking längst in ihren Alltag integriert haben.
Teilt man das Wort in zwei Teile, hat man zunächst das Kürzel "Bio". Das steht für "Biologie", konkreter: die eigene Biologie. Und "Hacking" bedeutet in diesem Kontext "verstehen". "Biohacking ist ein Prozess, in dem man die eigene Biologie, den eigenen Körper, analysiert und versteht und dieses Wissen dann für sich selbst nutzbar macht", erklärt Biohacking-Experte Johannes Schröder aus Hamburg.
"Als Mensch ist das Anstreben der Selbstoptimierung nichts Neues, es liegt in unserer Natur. Wir versuchen ständig das Beste aus uns herauszuholen", erklärt Schröder. Warum sollte man also nicht versuchen, herauszufinden, wovon die eigene Gesundheit abhängt und Biohacking als Tool zur Selbstverwirklichung nutzen? "Im Grunde genommen ist dieses Tool nichts anderes als ein Mittel zum Zweck: Es führt zur Selbstbestimmung", so der Experte.
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"Ein Biohacker kennt nicht nur sich und seinen Körper gut, er zeichnet sich auch dadurch aus, dass er selbst aktiv wird und nach individuellen Lösungen sucht", erklärt Schröder. Im gewissen Rahmen steckt ein Biohacker bereits in Ihnen, ohne dass es Ihnen vielleicht bewusst ist. Zum Beispiel: Schließen Sie vor dem Zubettgehen normalerweise den Vorhang oder den Rolladen? Sie wissen genau, dass Sie besser schlafen, wenn es im Schlafzimmer dunkel ist. Das ist bereits ein Mini-Biohack, den Sie angewandt haben! Sie kennen Ihren Körper und handeln deshalb so, dass Sie von Ihrem Wissen profitieren. Doch echte Biohacker gehen weit darüber hinaus.
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Biohacker könnte man auch als Do-it-yourself-Biologen bezeichnen, sie analysieren und optimieren jeden Aspekt Ihres Lebens. Ein paar Beispiele:
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Unserem Chefredakteur Arndt Ziegler hat der erfahrene Biohacker Max Gotzler in einem Interview verraten, wie sehr der Trend den Alltag erleichtern und die Leistungsfähigkeit steigern kann – und zu welchen drastischen Maßnahmen ein echter Biohacker bereit ist:
Alle reden von Biohacking. Was genau ist es eigentlich?
"Im Grund liegt die Antwort auf der Hand, besser gesagt schon im Namen: Ich verstehe es als ein Werkzeug, um sein Leben – Bio – zu verstehen und Dinge zu entschlüsseln – hacking", so Gotzler.
Man hackt sich selbst? Das müssen Sie genauer erklären.
"Hacking meint die körperliche und geistige Optimierung auf biochemischer Ebene. Ziel ist es, seinen Körper zu entschlüsseln und ihn seinen individuellen Bedürfnissen entsprechend anzupassen. Jeder sollte sich fragen: Was will ich erreichen, an welcher Schraube kann ich drehen, um mich zu optimieren. Das können unterschiedliche Ziele sein, etwa besser schlafen, weniger Stress, gesünder leben."
Klingt so, als ließe sich jedes Problem mit Biohacking lösen.
"Moment, das habe ich so nicht gesagt! Natürlich ist Biohacking nicht die Antwort auf sämtliche Probleme, aber es liefert viele Lösungsansätze und Ideen zur Selbstoptimierung – wie eine Kiste mit unterschiedlichen Werkzeugen, aus der jeder sich dann das Richtige aussucht."
In welchen Lebensbereichen ist Biohacking anwendbar?
"Ich habe meine Erkenntnisse durch Biohacking in sechs Bereiche unterteilt, die ineinanderfließen und das geistige und körperliche Wohlbefinden beeinflussen. Es handelt sich bei diesen Lebensbereichen um Ernährung, Bewegung, Erholung, Balance, Fokus und Umfeld. Während man die ersten drei erwarten kann ..."
... sind Balance, Fokus und Umfeld erklärungsbedürftig.
"Bei Balance geht's um Methoden, gezielt Stress abzubauen, den Geist zu entlasten, gelassener zu werden. Zum Thema Fokus: Das Gehirn des Menschen hat die nervige Eigenschaft, Dinge aufzuschieben und viel Energie für Entscheidungen, was wichtig ist und was nicht, zu verschwenden. Biohacking-Tipps zum Bereich Fokus haben deshalb zum Ziel, dass man seine Zeit sinnvoll und produktiv nutzt, um möglichst viele Freiräume für die schönen Dinge des Lebens zu schaffen."
Bleibt noch das Umfeld.
"Da beschäftigen sich Biohacker mit dem Einfluss von Kunstlicht und Temperatur auf unsere biologische Struktur – und liefern Tipps, wie man diesen oftmals schädigenden Einflüssen sinnvoll entgegenwirken kann."
Welche Biohacks wenden Sie denn bei sich selbst an?
"Wenn ich die jetzt alle aufzähle, sprengt das den Rahmen dieses Interviews. Aber etwa bewusst zu atmen, das ist für mich eines der wirksamsten Tools aus der Biohacking-Werkzeugkiste, das jeder besitzt; idealerweise in Kombination mit Kälte – mein Tipp: Eisbaden! –, hochwertiger Ernährung und genug Schlaf. Reizvoll am Biohacking ist für mich außerdem, immer wieder neue, auch mal verrückte Dinge auszuprobieren – nur in Unterwäsche Ski fahren beispielsweise."
Was? Halbnackt auf Skiern?
"Der renommierte Neurochirurg Dr. Jack Kruse hat mich auf die Idee gebracht. Er meinte zu mir, ich solle doch mal nur mit einer Unterhose bekleidet auf Skiern den Berg runterzufahren, um die volle Ladung Sonnenlicht und die positiven Effekte der Kälte abzubekommen. Da dachte ich nur: Okay, warum nicht? Es war dann richtig kalt – und richtig gut. Ein wirklich großartiger Biohack!"
Tipp: Auch in diesem Podcast geht es um Biohacking!
Um Biohacker zu werden, müssen Sie nicht zwangsläufig nackt skifahren. Um vom Biohacking zu profitieren, reicht es anfangs schon, im Alltag achtsamer auf seinen Körper zu hören, um herauszufinden, wie er funktioniert. "Es gibt nicht den einen Biohack, der alle Probleme löst, es ist ein Aneinanderreihen vieler kleiner Verbesserungen", sagt Gotzler. Auf diese Weise steigern Sie Schritt für Schritt Ihre Leistungsfähigkeit und Ihr Wohlbefinden.