300 Millionen Dollar investiert Volkswagen in den ursprünglich aus Israel stammenden Fahrvermittlungsdienst Gett. Toyota einigt sich mit dem Branchen-Pionier Uber auf eine strategische Partnerschaft. General Motors (GM) steckt 500 Millionen Dollar ins US-Startup Lyft, das ebenfalls private Taxidienste vermittelt. Bei diesen Zahlen kann einem schon mal schwindelig werden. Vor allem dann, wenn man es gewohnt ist in Produkte zu investieren, die die Entwicklungskohle in spätestens sieben Jahren wieder eingespielt haben. Autos eben. Klassische Investitionszyklen helfen an dieser Stelle aber nicht weiter. Wer verstehen will, was global agierende Autobauer dazu treibt, extrem viel Geld in extrem junge Internet-Startups zu investieren, muss sich in erster Linie mal an große Zahlen gewöhnen. Nicht, weil die mit so viel Konzern-Millionen bedachten IT-Unternehmen in der Lage wären, schnelle Gewinne zu erwirtschaften. Sondern weil die Nachfrage den Preis bestimmt.
Alle neuen Fahrdienste verdienen noch kein Geld
Und die globale Nachfrage nach der Mobilitäts-Geschäftsidee der Zukunft ist mehr als gewaltig. Neben den so langsam in die Gänge kommenden Automobilherstellern sind es vor allem die großen Technologie- und Internet-Megakonzerne, die das Tempo bestimmen und bereit sind, praktisch jeden Preis zu bezahlen. Beispiel gefällig? Den Einstieg beim chinesischen Uber-Konkurrenten Didi Chuxing hat Apple sich eine Milliarde Dollar kosten lassen. Ach ja: Weder Uber, Lyft, Gett oder Didi Chuxing operieren Stand heute kostendeckend. Keines der Unternehmen rechnet aktuell damit, in den nächsten zwei bis drei Jahren Gewinne zu erwirtschaften.
Apple investiert eine Milliarde in chinesischen Uber-Konkurrenten
Was also steckt hinter der kollektiven Lust am Geldverbrennen? Die nackte Angst. Egal ob Apple, Google, Volkswagen oder General Motors, keiner der globalen Player kann es sich leisten, beim Thema Mobilität der Zukunft den Anschluss zu verlieren. "Wir arbeiten an der Neuerfindung des Automobils und der Mobilität. Das ist wie die Umstellung vom Pferd aufs Auto vor über 100 Jahren". Das sagt kein größenwahnsinniger Start-up-Gründer auf der Suche nach Investoren, sondern Johann Jungwirth, der seit November 2015 die Digitalisierungsstrategie bei Volkswagen verantwortet. Daran kann man glauben, oder halt nicht. Fakt ist: Jungwirth war vor seinem Wechsel zu Volkswagen bei Apple für Innovationen in Technik und Design sowie der Produktentwicklung verantwortlich. Der Mann weiß also ganz grob, wovon er redet. Aber viel wichtiger: Jungwirth weiß, dass der Run auf die Fahrvermittlungsdienste nur ein Teil einer komplexen Digitalisierungsstrategie ist.
Zugang zu jungen Zielgruppen
Entscheidend an Uber, Lyft, Gett, Didi Chuxing oder auch Ola aus Indien ist nämlich nicht unbedingt, mit der Vermittlung von privaten Taxidiensten sofort Geld zu verdienen, sondern Zugang zu einer Plattform, bzw. Technologie zu erhalten, über die man eine Zielgruppe erreicht, die viele der klassischen Autobauer kaum noch im Blick haben: den Nachwuchs. Oder schlicht: die Jugend. Die will natürlich mobil sein. Braucht dafür aber nicht zwingend ein eigenes Auto. Was den aktuellen Erfolg von Carsharing-Diensten wie Car2Go oder DriveNow erklärt. Also volle Kraft in Sachen Carsharing? Leider nein. Denn: Selbst zu fahren ist beispielsweise für Stadtmenschen oder Pendler längst kein Ausdruck individueller Freiheit mehr. Wenn es das für diese Zielgruppe überhaupt jemals war. Im Stau zu stehen nervt. Und kostet eigentlich nur wertvolle Arbeits- bzw. Lebenszeit. Darüber hinaus verlangt die Fahrerei mindestens einen Führerschein. Wozu aber in eine Fahrerlaubnis investieren, die einem lediglich den Weg in den nächsten Stau ebnet.
Smart Mobility ist erst der erste Schritt
Dann lieber jemand anderes fahren lassen. Weil er eh den gleichen Weg hat, zum Beispiel. Mitfahrgelegenheit nannte sich das früher. Die mobilen Vordenker von morgen sprechen heute lieber von Ridesharing und meinen damit genau die Art von privat vermittelten Fahrdiensten, die Uber, Lyft, Gett oder Didi Chuxing anbieten. Solche Services, gerne auch unter dem Oberbegriff Smart Mobility zusammengefasst, sind Gift fürs klassische Taxi-Geschäft, entsprechend intensiv wehren sich die entsprechenden Interessensvertretungen. Ob’s was hilft? Das darf man zumindest intensiv anzweifeln. Kleiner Trost: Nichts von dem, was sich hier gerade entwickelt, ist disruptiv und stellt quasi über Nacht unseren Alltag auf den Kopf. Aber: Die Entwicklungen sind allesamt an Statistiken ablesbar.
Eine Wette auf künftige Milliarden-Erlöse
Was noch deutlicher macht, dass man sich den Herausforderungen stellen und investieren muss. Heute. Die Situation ist wahrscheinlich vergleichbar mit einer Zeit, in der ein paar “Irre” mutigen Geldanlegern empfahlen, einen kleinen Teil ihres Geldes in junge Computerfirmen wie Apple zu investieren. Oder in einen jungen Mann, der Menschen im Internet auf seinem Facebook zusammenbringen wollte. In beiden Fällen haben sich die Investitionen mehr als ausgezahlt. Heißt: Die heute in die Hand genommene Mobilitäts-Million ist unter Umständen der Milliardengewinn von morgen. Aber halt eben nur unter Umständen. So ist das mit einer Wette. Es gibt keine Garantien.
Das eigentliche Ziel: Weg mit dem Fahrer
Soweit angekommen? Gut. Dann können wir ja jetzt richtig loslegen. Denn wie gesagt: Das Thema Smart Mobility ist nur ein verhältnismäßig überschaubarer erster Schritt auf dem Weg in eine vernetztere mobile Zukunft. Parallel zum Aufbau, bzw. der Akquise der Technologien und Plattformen arbeiten die entsprechenden Firmen und Experten nämlich bereits an der Optimierung des Faktors Mensch. Wobei Optimierung gerne auch Einsparung heißt. Warum? Weil ein Mensch am Steuer aus Sicht der Menschen mit den großen Rechenschiebern vor allem Geld kostet. Und schon sind wir beim Thema autonomes Fahren. Laut einer Statistik der TU Berlin gehen 86% der Unfälle im Straßenverkehr auf das "Fehlverhalten von Fahrzeugführern" zurück. Man muss nicht wirklich ein eingefleischter Technik-Fan sein um einräumen zu können, dass das Maschinen bzw. Computer wahrscheinlich besser können. Noch dazu ist ein Computer als Chauffeur bedeutend belastbarer und damit unterm Strich natürlich viel günstiger: Er braucht ganz selten Pausen, hat keinen Anspruch auf 30 Tage Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und nervt nicht mit der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft.
Viele Ressourcen und globale Partnerschaften
Klingt ein bisschen sehr beängstigend für Sie? Völlig verständlich. Trotzdem werden wir nicht drumherum kommen, uns ernsthaft damit zu beschäftigen. Weil die entsprechenden Grundlagen längst gelegt sind. Beim Tesla Model X zum Beispiel. Und weil eigentlich alle großen Auto- bzw. Technologiefirmen ziemlich einstimmig davon ausgehen, dass dem autonomen Fahren die Zukunft gehört. Lippenbekenntnisse? Von wegen. Die entsprechenden Investitionen in dieses zweite Feld der digitalen Mobilitätsrevolution sind ebenfalls mehr als stattlich. Mercedes hat, zumindest in Fahrzeugen wie der aktuellen S-Klasse die wichtigsten Systeme zum autonomen Fahren bereits an Bord. Audi hat mit einem entsprechend umgebauten S7 sogar schon Rennstreckenerfahrung gesammelt. Volvo will in Göteborg bis 2017 100 autonome SUV auf die Straße bringen. Kia (und damit auch Hyundai) ist mit einem aufgerüsteten Soul bereits teilautonom unterwegs, bis 2020 soll die Technik serienreif sein. Zehn Jahre später wollen die Koreaner das autonome Fahrer serienmäßig anbieten können. Und wer noch nicht selbst über die nötigen Ressourcen verfügt, tut sich mit Partner zusammen oder integriert die entsprechenden IT-Unternehmen schlicht in den eigenen Konzern. So entwickelt Uber im Advanced Technology Center (ATC) einen Robo-Chauffeur. Ford testet die Autonomie in einem Ford Fusion ebenfalls bereits auf öffentlichen Straßen. Der chinesischer Autobauer SAIC kooperiert mit dem chinesischen Internet-Handelsiganten Alibaba. GM hat gerade eben das Startup Cruise Automation geschluckt und arbeitet mit dessen Hilfe am autonomen Chevrolet Bolt. Changan, noch so ein bei uns fast unbekannter Autobauer aus China, ist mit einem autonomen Modell der Mittelklasse-Limousine Raeton 2.000 Kilometer durch China gefahren. Chinas Suchmaschinen-Riese Baidu entwickelt im Silicon Valley mit Hilfe von BMW ebenfalls Technologien, die das autonome Fahren möglich machen. Das vielzitierte Google-Auto ist, abgesehen von einigen Kinderkrankheiten serienreif. Zudem kooperiert der Suchmaschinen-Konzern künftig mit Fiat/Chrysler, um die neu entwickelte Technologie möglichst schnell in den Massenmarkt zu bekommen. Und die deutsche Telekom ist in China Technologiepartner beim Aufbau einer Technolgie, die Car-to-Car-Kommunikation möglich macht.
Womit wird künftig wirklich Geld verdient?
War’s das? Noch lange nicht. Was noch fehlt? Ganz viele Details dazu, wie vor allem die Autobauer mit all dem Geld verdienen wollen. Bislang klappt das ja nur mit klassischen Automobilen. Und die werden, wenn’s so kommt, wie die digitalen Vordenken, künftig nicht mehr den überwiegenden Teil auf Parkplätzen rumstehen und drauf warten, von ihrem Besitzer gebraucht zu werden. Sondern in den "Pausen", ihre autonomen Dienste in Ridesharing-Systemen zur Verfügung stellen. Heißt aber aber auch: Eigentlich brauchen wir dann unterm Strich sogar viel weniger Autos. Ziemlich sicher haben Johann Jungwirth und Co. dafür auch schon eine Idee. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
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