Wie gefährlich ist ein Sportlerherz?

Herzveränderung durch Sport
Habe ich ein Sportlerherz? Und wenn ja: Ist das gut?

Zuletzt aktualisiert am 22.10.2024
Sportlerherz
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Sportler stehen so einiges durch: die eiserne Disziplin, die dauernde Leistung und der immer wiederkehrende Muskelkater – das vollbringt man nicht einfach so. Meist ist das Ziel, eine Veränderung herbeizuführen: körperlich, geistig, für das allgemeine Wohlbefinden. Die Gründe für sportliche Betätigung sind ganz unterschiedlich. Eines aber haben sie alle gemeinsam: Es soll etwas im Körper vorangetrieben werden, es soll sich etwas verändern, zum Guten.

Sport lebt von Steigerung: Steigerung des Gewichts, Steigerung der gelaufenen Kilometer oder Steigerung der geschwommenen Bahnen. Dass Steigerung möglich ist, ist eine Frage der Disziplin. Es ist aber auch eine Frage des Körpers, vor allem eine Frage des Herzens. Denn sportliche Steigerung macht etwas mit dem Herzen, er verändert es zum Positiven.

Aber bei intensiver sportlicher Steigerung bis hin zu Höchstleistungen zeigt sich dann eine ganz besondere Veränderung: eine Vergrößerung des Herzens. Wissenschaftler:innen nennen es das Sportlerherz. Hier liest du, wie genau ein Sportlerherz entsteht, ab wann man von einem Sportlerherzen spricht, wie man es erkennt und ob es gefährlich ist. Die Antworten darauf hat Frau Dr. Catharina Bidlingmaier, Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

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Was ist ein Sportlerherz?

Ein Sportlerherz, im Englischen "athletes' heart" genannt, ist ein durch Sport (meist Ausdauersport) hypertrophiertes und verdicktes Herz. Vergrößerung und Verdickung sind nicht krankhaft, sondern einem natürlichen Anpassungsprozess geschuldet. Ein Sportlerherz ist "harmonisch" vergrößert, also gleichmäßig, und nicht an einer bestimmten Stelle.

"Das Herz besteht aus vier Herzhöhlen und bei einem Sportlerherzen ist in der Regel nicht nur die linke Herzkammer vergrößert, sondern alle vier Herzhöhlen gleichmäßig", erklärt Dr. Bidlingmaier. Die Expertin fährt fort: "Aus physiologischen Gründen kommt es durch diese Herzvergrößerung auch zu einer Verdickung des Muskels. Man spricht dann von einer sogenannten exzentrischen Hypertrophie." Das heißt, dass sich das Herz nach außen – also exzentrisch – vergrößert.

Diese Form der Hypertrophie kommt in der Regel nicht durch krankhafte Ursachen zustande. Anders bei der konzentrischen Hypertrophie, bei der eine dauerhaft erhöhte Druckbelastung des Herzens dahintersteckt, also meist eine krankhafte Ursache. Ein Sportlerherz gilt bei Männern dann als solches, wenn eine Vergrößerung von einigen Millimetern im linken Ventrikel, also der Kammer, von der aus unsere Organe mit Blut versorgt werden, erreicht ist. "Der Grenzbereich liegt bei untrainierten Männern etwa bei 58 Millimetern. Bei Sportlern kann dieser Bereich zwischen 60 und 65 Millimetern liegen", weiß Dr. Bidlingmaier. Einen klaren Grenzbereich, der nach oben geschlossen ist, gibt es beim Sportlerherz aber nicht.

Wie entsteht ein Sportlerherz?

"Grundsätzlich entsteht ein Sportlerherz durch die Folge einer Adaption oder einer physiologischen Reaktion auf einen Trainingsreiz. Dabei geschehen funktionelle und strukturelle Anpassungen des Herzens", erklärt die Fachärztin für Kardiologie. Heißt: Der Herzmuskel verändert sich bei einer jahrelangen intensiven Trainingszeit in seiner Größe und seiner Struktur. Er muss sich anpassen.

Denn: Wenn du ein erhöhtes Trainingspensum hast, hat deine Muskulatur auch einen erhöhten Sauerstoffbedarf. Diesem muss das Herz durch Mehrarbeit gerecht werden. Die Folge: es hypertrophiert. Es wachsen alle vier Herzkammern und das Herz nimmt an Muskelmasse zu. Schließlich ist das Herz nicht nur ein Organ, es ist auch ein Muskel. Und wie dein Bizepsmuskel reagiert auch dein Herzmuskel auf Belastung.

So hat etwa der Aufbau von Kondition viele verschiedene Faktoren. Ein ganz wesentlicher: die Anpassung der Struktur des Herzens. Neben einer kontinuierlichen intensiven Trainingszeit kann oftmals auch noch eine genetische Veranlagung für ein Sportlerherz vorliegen, besonders wenn es sich um ein stark vergrößertes Herz handelt.

Wer kann ein Sportlerherz bekommen?

"Strukturelle Adaptionen des Herzens treten erst bei intensivem Training auf", so Dr. Bidlingmaier, "Das Training muss nicht unbedingt den Leistungssportler allein betreffen, möglich ist ein Sportlerherz auch bei einem Freizeitsportler. Um eine strukturelle Anpassung des Herzens hervorzurufen, ist aber ein Laufumfang von mehr als 70 Kilometern pro Woche nötig." Und das werden wohl nur die wenigsten Freizeitsportler abspulen.

Kurzgefasst: Bist du nur Hobbysportler, wirst du wahrscheinlich kein Sportlerherz haben, denn die haben oft nur ein leicht vergrößertes Herz. Läufst du tatsächlich annähernd die beeindruckenden 70 Kilometer pro Woche und das seit Jahren, ist es sogar sehr wahrscheinlich.

Bekomme ich durch Kraftsport ein Sportlerherz?

Wie sieht das bei anderen Sportarten aus? Beim Kraftsport zum Beispiel? Können auch Kraftsportler bei hohem Trainingsumfang ein Sportlerherz entwickeln? "In der Regel entwickeln Kraftsportler kein Sportlerherz", so Dr. Bidlingmaier. Zwar ist bei Kraftsportlern häufig eine reine Zunahme der Herzmuskulatur zu beobachten, aber die harmonische Vergrößerung aller vier Herzhöhlen tritt nicht ein.

Neben dem Trainingsumfang und der Art des Trainings spielt auch das Alter eine entscheidende Rolle: Erst im jungen Erwachsenenalter kann sich das Herz infolge einer längeren intensiven Sportphase vergrößern. "Bei Jugendlichen ist das eher unwahrscheinlich", weiß die Expertin. "Wenn da das Herz vergrößert ist, sollte man immer eine kardiale Erkrankung ausschließen lassen", so Bidlingmaier.

Wie wird ein Sportlerherz vom Arzt oder von der Ärztin festgestellt?

"In der Regel muss man hier eine Ultraschalluntersuchung machen", so Bidlingmaier – eine sogenannte Echokardiographie. Zwar können sich auch in einem EKG trainingsbedingte Veränderungen zeigen – die Ruheherzfrequenz ist bei Trainierenden mit Sportlerherz oft niedriger – allerdings reichen diese für die Diagnose nicht aus. "Und auch eine Röntgenuntersuchung würde nicht ausreichen", sagt die Expertin.

Bei einer Ultraschalluntersuchung bestimmt man die sogenannte Auswurffraktion zur Beurteilung der linksventrikulären Funktion. Das ist die Menge Blut, die alle vier Kammern bei einem Herzschlag auswerfen. Aber auch die Größe des Herzmuskels und sonstige strukturelle Veränderungen lassen sich mit einer Ultraschalluntersuchung präzise erkennen.

Sportlerherz
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Kann ich ein Sportlerherz auch selbst erkennen?

Die klare Antwort lautet: nein! Eine hundertprozentige Gewissheit darüber, dass du ein Sportlerherz hast, wirst du nicht durch die Einordnung deiner Symptome bekommen. Denn: Es gibt gar keine wirklichen Symptome. Schließlich ist ein Sportlerherz das Ergebnis eines natürlichen Anpassungsprozesses und keine Krankheit. Um ein Sportlerherz eindeutig zu diagnostizieren, ist eine Ultraschalluntersuchung notwendig. Gleichwohl gibt es ein kleines Indiz, das auf ein Sportlerherz hinweisen kann: die Herzfrequenz – vorausgesetzt du bist Sportler und hast einen intensiven Trainingsumfang.

Liegt der Ruhepuls des Durchschnittsmannes noch bei 60-80 Schlägen pro Minute, kann der eines Ausdauersportlers deutlich niedriger sein: da liegt er bei 30-50 Schlägen. Vorsicht: Das ist in den meisten Fällen aber schon bei durchschnittlich trainierten Ausdauersportlern der Fall. Und die haben in der Regel noch kein Sportlerherz. Außerdem ist ein äußerst niedriger Ruhepuls nicht immer Ausdruck eines Sportlerherzens. Dahinter können auch Erkrankungen stecken: "Zum Beispiel eine Durchblutungsstörung des Herzens oder eine Erregungsleitungsstörung", warnt die Expertin.

Welche Vorteile hat ein Sportlerherz?

Ein Sportlerherz ist an "extreme" Gegebenheiten angepasst, arbeitet also äußerst effizient und kann körperliche Aufgaben, die Kondition erfordern, mit Leichtigkeit bewältigen. Wo andere richtig pumpen müssen, ist das Sportlerherz noch im Verwaltungsmodus. Unsere Expertin nennt das "Ökonomisierung der Herzarbeit". Im Grunde heißt das: Ein Sportler mit vergrößertem Herzen hat bei Belastung – egal ob bei kleiner oder großer Belastung – einen Vorteil. Belastung ist weniger anstrengend für ihn. Das Schlagvolumen eines Sportlerherzens ist größer, es kann pro Schlag mehr Blut in den Kreislauf pumpen. Das wird in der Medizin "Herzzeitvolumen" genannt.

Ein Sportlerherz kann bei Belastung teilweise das doppelte Herzzeitvolumen eines normalen Herzens haben, pro Schlag also doppelt so viel Blut in den Kreislauf pumpen. Und auch wenn man dafür nicht unbedingt ein echtes Sportlerherz braucht: Ausdauersportler haben eine längere Lebenserwartung. Das hat bereits eine taiwanesische Kohorten-Studie im Jahre 2011 eindrucksvoll nachgewiesen. Sie kam zu dem Schluss, dass bereits 15 Minuten pro Tag oder 100 Minuten pro Woche ausreichen, um die statistische Lebenserwartung um drei Jahre zu steigern und das Sterberisiko um 14 Prozent zu reduzieren.

Welche Nachteile hat ein Sportlerherz?

"Im Grunde keine", so Dr. Bidlingmaier. Das zeigt auch die aktuelle wissenschaftliche Datenlage eindeutig. Das heißt: Ein Sportlerherz ist nicht gefährlich und senkt auch deine Lebenserwartung nicht. Wie bereits gesagt: Sportler – und eben auch Leistungssportler – leben statistisch länger. Die vielen umfangreichen Vorteile von Sport sollten also im Vordergrund stehen. Diese 10 Lauffehler solltest du aber trotzdem bitte vermeiden.

Und kann ein Sportlerherz irgendwann vielleicht zu groß werden? Nein, auch das wird nicht passieren. Selbst Langstreckenläufer und Triathleten haben zwar ein deutlich vergrößertes Herz – ja teilweise sogar ein doppelt so großes – zu groß ist es jedoch nicht. Ein mögliches, wenn auch unwahrscheinliches, Sportlerherz sollte dir also keine Sorgen bereiten. Warum junge Männer so häufig von Herzmuskelentzündungen betroffen sind.

Kann sich ein Sportlerherz mit der Zeit zurückbilden?

Ja, das ist möglich. Stell dir am besten wieder deinen Oberarm vor und was mit ihm passiert, wenn du dein Training mal eine Weile schleifen lassen hast: Auch dein Herz passt sich deiner Lebensweise an. "Ein Sportlerherz bildet sich nicht immer zurück, aber in den meisten Fällen", erklärt Dr. Bidlingmaier. "Die Wanddicke des Muskels normalisiert sich zwar, aber die Herzhöhlen bleiben meist noch leicht vergrößert", so die Expertin. Und natürlich verkleinert sich das Herz nicht von jetzt auf gleich. Es bildet sich stattdessen langsam zurück. "Daher sollte man, wenn man sich im Leistungssport befindet, auch ein Abtraining beziehungsweise De-Training machen", so die Expertin.

Ein Sportlerherz ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie anpassungsfähig unser Körper ist. Bei Hobbysportlern ist es eher selten, zeigt sich durch eine Vergrößerung aller Herzhöhlen durch intensives Training. Diese Veränderung ist nicht gefährlich, im Gegenteil: Sie lässt das Herz effizienter arbeiten und kann von Vorteilen wie einer verbesserten Kondition und einer längeren Lebenserwartung begleitet sein. Ein Sportlerherz ist also kein Grund zur Sorge, sondern eher ein Zeichen für eine gesunde Anpassung an sportliche Herausforderungen. Sport ist somit nicht nur gut für den Körper, sondern auch für das Herz – wortwörtlich!

Erwähnte Quellen

Chi Pang Wen et al.: Minimum amount of physical activity for reduced mortality and extended life expectancy: a prospective cohort study. The Lancet, 2011, doi 10.1016/S0140-6736(11)60749-6, zuletzt abgerufen am 09.10.2024

W. Kindermann und J. Scharhag: Die physiologische Herzhypertrophie (Sportherz). German Journal of Sports Medicine, 2014, https://www.germanjournalsportsmedicine.com/archive/archive-2014/issue-12/die-physiologische-herzhypertrophie-sportherz/, zuletzt abgerufen am 09.10.2024