Einfach ein paar Manschetten anlegen, und dann trainiert der Körper quasi von selbst? Klingt natürlich irgendwie superbequem und easy. Und soll angeblich genau so klappen: EMS-Training nutzt Stromimpulse für effektives Muskeltraining.
Aber klappt das wirklich – Muskeln aus der Steckdose? Wir haben das zeitsparende Krafttraining getestet und klären über Nutzen, Vorteile und Risiken auf.
Was ist EMS-Training? Und woher kommt es?
EMS steht für elektrische Muskelstimulation (genau: Elektromyostimulation) und kommt ursprünglich aus der Physiotherapie. Dort wird dieses Training schon länger für den gezielten Aufbau von Muskeln eingesetzt, beispielsweise um nach Verletzungen Muskelschwund zu vermeiden. Auch im Leistungssport wird die Methode als Trainingsergänzung verwendet.
Statt die Muskulatur mit Geräten und Gewichten unter Spannung zu bringen, wird diese beim EMS-Training durch elektrische Impulse zum Kontrahieren gebracht – und das etwa 85 Mal pro Sekunde. Folge: Ein Ganzkörpertraining unter Reizstrom soll effektiver sein als klassisches Krafttraining mit Gewichten und die Muskeln schneller wachsen lassen. Wie soll das gehen?
Wie funktioniert EMS-Training?
Du schlüpfst in einen mit Elektroden bestückten Anzug, der mit einer Station verbunden ist. An diesem Gerät regelt ein ausgebildeter Trainer die Stromimpulse: also Impulsfrequenz (ideal: 80 bis 85 Hertz), Kontraktions- und Pausendauer (meist je 4 Sekunden) sowie die Impulsstärke.
Über die Elektroden im Anzug, der üblicherweise aus Weste, Hüftgurt sowie Manschetten für Beine und Arme besteht, können fast alle großen Muskelgruppen des Körpers mit den elektrischen Impulsen angesteuert werden. So werden dein ganzer Körper, aber auch gezielt einzelne Körperregionen trainiert. Besonderheit: Dein Trainingsoutfit ist feucht, damit der Strom besser leitet. Während du unter Strom stehst, absolvierst du dann auf Anweisung des Trainers oder der Trainerin isometrisches oder dynamisches EMS-Training, zumeist mit dem eigenen Körpergewicht, wie etwa Sit-ups oder Kniebeugen.
Was bringt EMS-Training?
Die Stromimpulse der EMS erreichen auch die tiefen Muskelschichten. Dabei kommt es zu stärkeren, intensiveren Muskelkontraktionen als bei herkömmlichem Training. Wenn sämtliche Elektroden im Anzug aktiviert sind, heißt das: Mit nur wenigen Übungen kannst du deinen gesamten Körper trainieren. "Jede Übung wird intensiviert, effizientes Ganzkörper-EMS-Training dauert damit lediglich 15 bis 20 Minuten", erklärt Sportwissenschaftler Dr. Heinz Kleinöder von der Deutschen Sporthochschule Köln. Im Fitness-Studio bräuchtest du dafür über 2 Stunden. EMS funktioniert allerdings auch, wenn du nur bestimmte Regionen trainieren willst, etwa Bauch oder Rücken.
EMS-Training ist laut Studien der Sporthochschule Köln und der Uni Bayreuth auch für die typischen Fitnessziele bestens geeignet: Muskelaufbau, Rücken- und Rumpfmuskulatur stärken, Rückenbeschwerden vorbeugen. EMS hält den Stoffwechsel nicht nur beim Training, sondern noch viele Stunden danach auf Trab. Insbesondere bei Maximalkraft und Muskelleistung sei der Trainingseffekt mit dynamischen Übungen am größten.
Aber: EMS-Training alleine erzielt weder beim Abnehmen noch beim Muskelaufbau die schnellsten Resultate, sind sich viele Expert:innen einig. Zudem kann EMS weder Kraftsport noch Ausdauersport völlig ersetzen. Stattdessen kommt es auf die richtige Mischung an.
Für wen ist EMS-Training geeignet?
Grundsätzlich ist EMS für jeden gesunden Menschen geeignet. Ausgenommen sind Menschen mit Herzschrittmachern, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und erhöhtem Thromboserisiko sowie Schwangere. Auch wenn du gesund bist, ist es trotzdem ratsam, eine:n Ärzt:in zu fragen, bevor du dich auf das Training mit Reizstrom stürzt.
Ist EMS-Training gefährlich?
Das Training mit niederfrequentem Reizstrom ist bei guter Anleitung grundsätzlich nicht gefährlich. Die Organ- und Herzmuskulatur wird durch die Stromimpulse nicht erreicht. Zudem sind unsere Muskeln an niedrige elektrische Impulse gewohnt, da diese bei jeder Bewegung entstehen.
Allerdings besteht bei der Ganzkörper-Elektromyostimulation (WB-EMS) die Gefahr der Überbelastung. Mögliche Folgen: Schwindel, Übelkeit und hohe Creatin-Kinase-Werte (CK-Werte), die wiederum die Nieren belasten können. Creatin-Kinase ist ein Enzym, das die Muskeln mit Energie versorgt und insbesondere bei einem starken Muskelkater verstärkt im Blut nachweisbar ist. An den CK-Werten lässt sich erkennen, wie stark die Skelett-Muskulatur beschädigt ist und man kann die Trainingsintensität bestimmen (beim Muskelaufbau-Training werden die Muskeln absichtlich verletzt, damit diese sich der Belastung anpassen und wachsen).
Ist es also gefährlich? Nein, meint Professor Doktor Wolfgang Kemmler vom Institut für Medizinische Physik der Uni Erlangen-Nürnberg: Wenn der oder die EMS-Trainer:in verantwortungsbewusst mit der Trainingsmethode umgeht und den Anwender in einer Phase von 8 bis 10 Wochen mit langsam ansteigenden Intensitäten an das Training gewöhnt wird, fordert Kemmler in der Ausgabe von body/Life (06/2015).
Wie häufig sollte ich zum EMS-Training?
Untrainierte und Trainings-Einsteiger einmal pro Woche. Aufgrund der langen Erholungsphase maximal 2-mal für Fortgeschrittene. Eine Einheit sollte 15 bis maximal 20 Minuten dauern. Das ist ideal für Menschen, die wenig Zeit fürs Workout haben. Denn ein 20-Minuten-Training fordert den ganzen Körper ähnlich intensiv und schweißtreibend wie ein klassisches einstündiges Hanteltraining.

Beim EMS-Training werden auch die tiefen Muskelschichten durch die Stromimpulse erreicht
Wo kann ich EMS-Training machen?
Laut einer Statistik des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen (DSSV) gibt es in Deutschland, Stand 31.12.22, etwa 1.434 EMS-Anbieter. Dabei wird es sowohl in kleinen EMS-Studios, die sich alleine auf die Trainingsform spezialisiert haben, als auch in einigen Fitness-Studios angeboten.
Zu den größten EMS-Kettenanbietern gehören Bodystreet, 25 Minutes, terra sports, Körperformen und EMS-Lounge. Allerdings ist EMS immer noch ein Großstadt-Trend mit vielen Studios etwa in München, Nürnberg, Berlin, Hamburg, Leipzig sowie in der Rhein-Ruhr-Metropolregion.
Was kostet EMS-Training?
Gute EMS-Geräte für die elektronische Muskelstimulation kosten 7500 bis 12.000 Euro, etwa von miha bodytec oder physio M. Allerdings sollten diese nur von einem gut ausgebildeten Trainer bzw. einer Trainerin bedient werden. Im Fitness-Studio legst du für eine 20-minütige Einheit etwa 20 bis 35 Euro hin. Auch Personal Trainer bieten den Service an und kommen mit einem Gerät sogar zu dir nach Hause. Das kostet zwischen 40 und 90 Euro.
Wie fühlt sich EMS-Training an? Der Selbstversuch
EMS klingt für die Men's-Health-Tester Carsten und Roman ein wenig nach Folter. 20 Minuten pro Woche davon sollen reichen, um mehrere Stunden Pumpen zu ersetzen. Hm, Sport für Faule also. Ob das etwas für die beiden ist?
Fazit: EMS-Training kann Muskelaufbau oder Fettabbau unterstützen
EMS-Training, ursprünglich aus der Physiotherapie, nutzt elektrische Muskelstimulation zur effektiven Aktivierung der Muskulatur. In nur 15 bis 20 Minuten kannst du ein effektives Ganzkörpertraining machen – perfekt für alle, die wenig Zeit haben und körperlich gesund sind! Die Stromimpulse machen das Training zwar einfacher und unterstützen den Muskelaufbau oder Fettabbau, ersetzen aber keinesfalls Kraft- oder Ausdauertraining. Die besten Ergebnisse lassen sich daher durch den Mix aus klassischem Krafttraining und EMS erzielen.