Kennen Sie das üble Pochen im Kopf, die Übelkeit und den Schwindel? All das sind Symptome von Migräne. Sie wollen trotzdem Ihre Sport-Routine nicht unterbrechen? Müssen Sie auch nicht zwingend. Sportmediziner Dr. med. Helge Riepenhof vom BG Klinikum in Hamburg, erklärt, wie beides kombinierbar und sogar so einsetzbar ist, dass es langfristig die Beschwerden mindert.
"Das Wort Migräne kommt aus dem Französischen und heißt übersetzt etwa 'Halber Kopf'", erklärt Riepenhof. Das heißt: Migräne ist häufig nur einseitig. Während Kopfschmerzen meist dumpf und drückend und über den ganzen Kopf verteilt sind, so wird Migräne von Patienten als pochend-pulsierend und lediglich einseitig beschrieben. Aber Migräne ist mehr als nur ein Kopfschmerz. Typische Begleiterscheinungen sind Geräusch- und Lichtempfindlichkeit, Übelkeit, Erbrechen und Konzentrationsstörungen. "Manche Patienten nehmen auch eine Aura wahr, also sehen sogenannte Lichtblitze vor ihren Augen", sagt Riepenhof. Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol haben gegen echte Migräne keine Chance.
"Migräne ist ein klassisches Phänomen der Industriestaaten", so Riepenhof. "Es trifft vor allem da auf, wo Menschen besonders viel Stress ausgesetzt sind", erklärt er. Wer trotz Migräne Sport treiben will, muss deshalb seinen physischen und psychischen Stresslevel im Blick behalten.
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Wenn Sie trotz typischer Migränebeschwerden nicht auf Sport verzichten wollen, sollten Sie auf moderate intensive Sportarten setzen. Vor allem Krafttrainingseinheiten sollten Sie ausfallen lassen. Denn Belastungssportarten wie Krafttraining können Ihre Krankheit verschlimmern.
"Beim Krafttraining steigt das Stresslevel im Körper über längere Zeit stark an", erklärt Riepenhof. Ob beim Gewichtheben oder an der Latzugmaschine: Nach intensivem Muskeltraining hält die Fettverbrennung in der Muskulatur viele Stunden lang an. Die Folgen können eine Unterzuckerung beziehungsweise ein Energiedefizit im Gehirn sein, wodurch eine Migräneattacke ausgelöst oder auch verstärkt werden kann.
Wenn Sie partout zur Hantel greifen wollen, sollten Sie vorher frühzeitig für eine hohe Kohlenhydratzufuhr sorgen, um dem Energiedefizit vorzubeugen. Ideal dafür sind zum Beispiel Haferflocken oder Kartoffeln in Kombination mit Saftschorlen.
Aus demselben Grund sollte morgendlicher Sport auf nüchternen Magen vermieden werden. Denn: "Ohne Energie sollte man nicht die körperliche Belastung steigern", sagt Experte Riepenhof, "Wenn man maximal in Erschöpfung geht, verschlechtert das häufig die Migräne."
Wer dennoch ohne Frühstück sportlich startet, begünstigt die Gefahr des zu niedrigen Blutzuckers und die Entstehung der Migräne. "Patienten beschreiben immer wieder, dass in Phasen der 'Unterzuckerung' die Symptome der Migräne deutlich verstärkt sind, länger anhalten und über Stunden oder sogar Tage fixiert werden", sagt Riepenhof.
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"Ja, das kann sie. Denn bei einigen Menschen schüttet der Körper bei Sport das Stresshormon Cortisol aus, anstatt es abzubauen", erklärt der Sportmediziner. "In diesem Fall muss man herausfinden, welche Sportarten der Auslöser sind und ab welcher Belastungsstärke die Beschwerden auftreten – um dann entsprechend die Sportart zu wechseln oder die Übungen reizärmer zu gestalten", erklärt Riependorf. Wenn Sport bei Ihnen häufiger zum Auslöser wird, probieren Sie zum Beispiel aus, die Laufrunde aus der Stadt in den Wald zu verlegen. Dort sind weniger Menschen und weniger Autos und das ist für die Reizverarbeitung wesentlich besser. Auch ein lautes, wuseliges Fitnessstudio mit vielen Mittrainierenden und Hintergrundmusik ist für Migränepatienten nicht empfehlenswert. Sie können zuhause mit Handeln und dem eigenen Körpergewicht trainieren oder nicht zu den Stoßzeiten ins Studio gehen.
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Treiben Sie trotz der Migräne mit hoher Belastung Sport, hat dies zur Folge, dass es Ihnen nur noch schlechter geht, Sie häufiger Migräneattacken bekommen und eine ständige Abgeschlagenheit fühlen. Also: Piano! Fangen Sie langsam an und treiben Sie nur Sportarten, die Ihre Ausdauer trainieren.
Ganz wichtig: Wenn es Ihnen so schlecht geht, dass Sie Schmerzmittel nehmen müssen, setzen Sie besser Ihre Sportroutine aus. "Migräne ist normalerweise resistent gegen übliche Kopfschmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol", erklärt Riepenhof. "Und ob man spezielle Migräne-Medikamente wie Triptane einnimmt, sollte man sorgfältig überlegen", sagt Riepenhof. Denn: Triptane verengen die von der Migräne geöffneten Blutgefäße im Kopf und stoppen die Nervenaktivität. Sport sollten Sie daher ausfallen lassen. Eine häufige Nebenwirkung von Triptanen ist auch Schwindelgefühl. Der Schwindel tritt recht schnell nach der Einnahme auf. Zwar klingen die Symptome der Migräne dann langsam ab, dennoch ist die Kombination von Sport und Schwindel immer ungünstig, da man selbst beim Laufen oder Fahrradfahren schneller stürzt und sich schwer verletzen kann.
Generell sollten Sie bei akuter Migräne darauf achten, so reizarm und ruhig wie möglich Sport zu treiben. Gerade dann, wenn Sie besonders geräusch- und lichtempfindlich sind, sollten Sie ruhigere Locations bevorzugen und mehr Pausen einlegen. Tipp: Ausgiebige Dehnübungen tragen zur Entspannung bei und bauen Stress ab. Migräne wird häufig durch "Anspannung" unterstützt und verschlimmert. Dehnen wirkt dieser Verspannung entgegen und hat daher einen positiven Einfluss auf die Symptome.
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Sport kann für Migräne-Patienten aber auch sehr hilfreich sein. Vor allem in den schmerzfreien Phasen bewirken Sie mit Bewegung, dass die nächste Attacke milder verläuft oder ganz ausbleibt. Ideal dafür sind Ausdauersportarten, zum Beispiel Joggen an der frischen Luft. Ihr Gehirn kann dabei genügend Sauerstoff aufnehmen, das auch bei normalen Druck- oder Spannungskopfschmerzen hilft. "Sport ist eine Therapie der Migräne", erklärt Riepenhof. "Durch Sport reduzieren Sie Stresshormone, so dass der Körper besser herunterfahren und entspannen kann. Treibt man regelmäßig Ausdauersport, wird zudem vermehrt Serotonin produziert und ausgeschüttet", so der Arzt. Serotonin ist ein Neurotransmitter, der die Spannung der Blutgefäße reguliert und Stresshormone hemmen kann. "Die Attacken-Häufigkeit aber auch die Intensität der Migräne wird dadurch verbessert", so der Sportmediziner. Wichtig ist dabei, sich nicht zu überlasten, ansonsten kann eine Migräne sogar auslöst werden.
Sport kann noch viel mehr bei Migräne tun. Riepenhof: "Durch regelmäßigen Ausdauersport können Umweltreize besser wahrgenommen und verarbeitet werden. Reizüberflutungen, die bei Migränepatienten zu Auslösern für Attacken werden, können so besser verarbeitet werden."
Jede Form des leichten Ausdauertrainings oder auch der leichten Bewegung kann bei einer Attacke helfen. "Patienten beschrieben immer wieder, dass ihre Strategie gegen eine Migräneattacke ein Spaziergang sei. "Wir empfehlen manchmal sogar die leichte Belastung auf einem Ergometer. Wenn die Schmerzen zu stark sind und jeder Schritt nur noch eine Qual ist, macht es natürlich keinen Sinn mehr", so Riepenhof.
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Manchmal sollten Sie sich eingestehen, dass Sie eine Pause einlegen sollten. Denn: Geht es Ihnen schlecht, sind Sie lichtempfindlich und können kaum noch richtig laufen, dann gehören Sie definitiv nicht ins Fitnessstudio, sondern ins Bett. Fühlen Sie sich gerade noch fit genug, dann lassen Sie die Finger vom Kraftsport, sondern treiben besser moderaten Ausdauersport an der frischen Luft – auf diese Weise haben Sie gute Chancen, Ihre Migräne-Symptome zu reduzieren.