Manchmal reicht ein Kommentar vom Kollegen, eine missverständliche Email vom Chef oder eine lahme Ente im Straßenverkehr damit der Kragen platzt. Aber wohin dann mit der überschäumenden Wut? Ins Lenkrad beißen, dem Kollegen an die Gurgel gehen, den Rechner aus dem Fenster schmeißen – all das beruhigt nur theoretisch die Emotionen und sorgt bloß für noch mehr Ärger.
Natürlich ist Wut in erster Linie ein sehr unangenehmes Gefühl. "Aber sie hat auch eine gute Seite. Wut ist ein wichtiger Hinweis mit verschiedenen Konsequenzen", erklärt Diplompsychologe Christoph Burger ("Change! Wut in positive Energie umwandeln", C.H. Beck, um 7 Euro) "dem wütenden Menschen verleiht sie Energie und einen fokussierten Blick auf den Wutanlass, sodass ein Kampf erfolgreich ausgefochten werden kann." Heißt: Wut entfesselt Energie.
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Und wie sieht es mit demjenigen aus, der den Ärger abbekommt? "Für den ist die Wut des Gegenübers auch ein Signal. Und zwar für: Vorsicht, das ist dem wichtig", sagt Burger.
Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass der Nachbar schon wieder seinen Wagen auf Ihren Parkplatz gestellt hat! Und hat der Kollege sich etwa wiederholt ohne Absprache in den Urlaubsplan eingetragen und sich so die besten Tage gesichert? Und überhaupt: Wieso tippt die Kollegin immer so laut! Manchmal reicht auch ein dämliches Posting im sozialen Netzwerk, um einen auf die Palme zu bringen.
Woran liegt es, dass den einen etwas zum Kochen bringt, den anderen aber total kaltlässt? "Wir werden wütend, wenn das eigene Weltbild an der Wirklichkeit abprallt. Bedürfnisse werden verletzt, Grenzen überschritten, ein legitim angenommener Anspruch verletzt", erklärt Burger.
Was unsere Sicherungen durchbrennen lässt, ist also sehr individuell. Gehen wir denn auch unterschiedlich mit unserem Ärger um? "Ja. Man kann Menschen unterscheiden, die Wut eher in sich hineinfressen und solche, die sie eher ausdrücken. Außerdem gibt es passive Aggression – eine Form, seine Interessen durchzusetzen, ohne offiziell wütend zu sein", sagt Burger. Heißt: Während Typ 1 die Wut runterschluckt, tritt Typ 2 gegen den Mülleimer oder schreit herum und Typ 3 dritter lächelt zähneknirschend, ist still beleidigt oder rächt sich gar durch hinterhältige, subtile Aktionen.
"Wut ist zwar wichtig, aber sie bringt auch Gesundheitsrisiken mit sich", sagt Burger. "Es ist ungesund, sie zu unterdrücken. Es ist aber auch schlecht, sich in sie hineinzusteigern", so der Psychologe. Unterdrückter Ärger kann nicht nur der Seele schaden, sondern auch zu körperlichen Problemen führen. Magengeschwüre (es heißt nicht umsonst "Wut im Bauch"), Depressionen, Tinnitus bis hin zu einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko können Folgen sein.
Indem Sie Ihren Ärger unterdrücken, ist außerdem wahrscheinlich, dass Sie sich immer wieder über den Auslöser ärgern. Wenn sich etwas ändern soll, müssen Sie handeln.
Ja, Ärger ist ein Hinweisgeber dafür, dass etwas falsch läuft. Wenn Sie sich zum Beispiel im Job oft ärgern, ist hier sicher Handlungsbedarf nötig. "Im Optimalfall wird die Wirklichkeit so umgestaltet, wie man es braucht", so Burger. Wut kann also auch Energien freisetzen, um eine Sache anzugehen.
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Das ist die gute Nachricht: ja, Sie können lernen Wut so zu kanalisieren, dass sie Ihnen sogar nützlich sein kann. "Zunächst müssen Sie sich klarmachen, dass nicht die Emotion Wut das Problem ist, sondern die Aggression, die darauffolgt", so Burger, „im zweiten Schritt sollten Sie hinter die Wut schauen, also herausfinden, wo die Ursachen liegen." So rational mit aufkochendem Ärger im Bauch umzugehen ist ein Prozess, der Training und Geduld bedarf. "Meditation und andere Entspannungstechniken können helfen, um generell gelassener zu bleiben", rät Burger.
Auch Sport kann unterstützen, Wut abzulassen. Boxhandschuhe brauchen Sie dafür nicht. Ausdauersportarten an der frischen Luft wie Radfahren, Laufen oder Inlineskaten sind besonders geeignet, um runterzukommen.
Aus Sicht der Evolutionsbiologie erklärt sich, warum bei uns alle Sicherungen durchbrennen. Ein solcher Erregungszustand half einem Steinzeitmenschen, wenn er vor einem Säbelzahntiger flüchten musste oder zum Angriff ansetzte. Heutzutage ist so ein erhitzter Kopf selten hilfreich.
Um runterzukommen, helfen jetzt sehr banale Dinge: "Zählen Sie bis 10, gehen Sie aus dem Zimmer oder kühlen Sie sich das Gesicht mit Wasser", rät Burger. Auch ein Spaziergang kann helfen. Ziel ist, Raum und Zeit zwischen Sie und den Wut-Auslöser zu bekommen.
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Wenn Sie Ihren Ärger an anderen auslassen, vergrößern Sie Ihr Problem nur. Das provoziert Aggression, die Ihr Gegenüber verletzen und Ihnen selbst womöglich später leidtun oder schaden. Zudem ändern Sie mit einem unkontrollierten Wutausbruch nichts an dem Zustand, der Ihren Ärger auslöst. "Wenden Sie die Spontan-Techniken an und nehmen Sie sich fest vor, andere nicht leiden zu lassen", sagt Burger. Danach rät der Psychologe, sich folgende Fragen zu stellen:
"Wer die Ursachen – auch in sich selbst – entdeckt, geht deutlich ruhiger in die nächste Situation. Wer zusätzlich herausgefunden hat, worum es einem in Wirklichkeit geht – auch auf einer tieferen Ebene – kann in Zukunft souveräner agieren", erklärt Burger.
Ziel ist es, den Ärger zu nutzen, damit sich etwas ändert. Deswegen ist es wichtig, dass die auslösende Person davon erfährt. Dies sollte allerdings auf zielführende, nicht auf aggressive Weise geschehen. "Im Akutfall können Sie nicht viel machen", sagt der Psychologe. Sie müssen Ihren Ärger spontan lindern (siehe Tipps oben).
"Die Zeit danach können Sie aber effektiv nutzen, um zu reflektieren, was Sie stört", so der Psychologe. Wer allein nicht weiterkommt, dem kann ein Coach helfen, zu erkennen, welches Ihrer Bedürfnisse verletzt ist.
Danach sollten Sie die Person ansprechen, die für den Ärger verantwortlich ist. Erklären Sie ihr sachlich, was Sie stört. Sprechen Sie immer in Ich-Botschaften. Im Falle des Kollegen, der sich heimlich die besten Urlaubswochen geschnappt hat, können Sie beispielsweise sagen: "Ich bin irritiert, wieso Sie den Urlaub ohne Absprache eingetragen haben." Unterstellen Sie der Person keine böse Absicht, sondern schlagen Sie vor, dass Sie gemeinsam eine Lösung finden.
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Und was ist mit der laut tippenden Kollegin? Prüfen Sie, ob hinter dem Ärger aufgrund der Lautstärke nicht ein tieferliegendes Problem liegt. Stört Sie an der Kollegin vielleicht schon länger eine Sache, die Sie nie angesprochen haben? Manchmal sind Lappalien, wie das laute Tippen, nämlich nur die Spitze des Eisberges. Vielleicht nervt es Sie, dass die Kollegin oft Arbeit auf andere abwälzt? Sprechen Sie Ihre Bedürfnisse ruhig und sachlich an – oft wissen andere nicht, dass Sie eine persönliche Grenze überschritten haben. Ist das grundlegende Problem gelöst, ist das mit der Tipp-Lautstärke ein Klacks.
Wut ist ein wichtiger Hinweis dafür, dass Sie etwas stört oder Sie sich in einem Bedürfnis verletzt fühlen. Es ist wichtig, dass Sie dieses Gefühl erst nehmen. Um den Ärger für sich zu nutzen, sollten Sie Techniken anwenden, die den spontanen Drang zum Ausrasten unterbinden. Danach überlegen Sie genau, was Sie eigentlich wütend gemacht hat. Sprechen Sie es an, wenn Sie sich beruhigt haben. In den meisten Fällen liegt nämlich keine böse Absicht hinter dem Handeln einer anderen Person.