Auf Bauer Ramckes Hof im schleswig-holsteinischen Landkreis Pinneberg wühlen muntere Schweine mit wackelnden Ringelschwänzen im Stroh. Ein Schaf lugt um die Ecke, trabt blökend davon. Enten watscheln durchs Gras. Typisch Biohof? In diesem Fall: nein. Thorsten Ramcke führt einen konventionellen Betrieb. Trotzdem: von extremer Massenviehhaltung keine Spur. Wer das sieht, fragt sich: Wozu dann Bio? Ramckes Tiere verfügen über mehr Platz, als das Gesetz vorgibt. In jeder der Schweineboxen dürften 10 Mastschweine stehen, es sind allerdings jeweils nur 6 drin. Im Hühnerstall tummeln sich statt der erlaubten 9 Hühnchen pro Quadratmeter lediglich 7. Erfreulich sieht es auch beim Futter und bei der Gabe von Medikamenten aus. Das Schweinefutter besteht zu 70 Prozent aus Altbrot von Bäckereien, nur 30 Prozent sind konventionelles Kraftfutter. Antibiotika bekommen sie nur, wenn eine gefährliche Infektion vorliegt. „Meine Schweine können auch mal eine Grippe ab, ohne gleich umzukippen“, sagt Ramcke.

Auch konventionelles Fleisch kann mit der Qualität von Bio-Fleisch mithalten © Jag_cz / Shutterstock.com
Dass gutes Fleisch nicht immer gleich auch gleichzeitig "bio" sein muss, zeigt das Beispiel Bauer Ramcke, denn er verbindet Vorteile der konventionellen Viehzucht mit der Biowelt: niedrige Preise auf der einen Seite, gute Tierhaltung auf der anderen. Zur Stärkung der Darmflora und des Immunsystems erhalten Ramckes Kühe hin und wieder eine natürliche Mixtur aus Apfelessig und Kräutern. Gute Voraussetzungen also, um seinen Hof eines Tages auf bio umzustellen, könnte man meinen. Aber daran hat Bauer Ramcke kein Interesse. "Ich will mich keinem Verband unterordnen, keine Beiträge bezahlen", sagt er. "Auch so verkaufe ich jede Woche ein Schwein." Die Eier der 2000 Legehennen wird er ebenfalls los, auch wegen der Preise: Bei ihm bezahlt der Kunde für 10 Eier der Größe L 2 Euro – nicht mehr als für Massenware im Supermarkt, die oft sogar 2,50 Euro kostet. Ähnlich moderat fallen seine Preise für frisches Fleisch und hausgemachte Wurst aus. Sein Schweinefleisch ist stärker marmoriert, was den Geschmack intensiviert.
Schmeckt Bio-Fleisch besser?
Nein, sagt dazu das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Bislang liegt ein eindeutiger Nachweis von Qualitätsunterschieden nicht vor. Es ist nicht belegt, dass Bioware besser schmeckt. In einer sensorischen Prüfung verglichen Experten im Auftrag der Stiftung Warentest Rückensteaks von ökologisch und konventionell aufgezogenen Tieren. Dabei bewerteten Sie rohes und gegartes Fleisch nach den Kriterien Aussehen, Konsistenz und Geruch. Ergebnis des Tests: Biosteaks riechen und schmecken im Durchschnitt nicht besser und sehen auch nicht appetitlicher aus.
Erhebliche Unterschiede zwischen bio und konventionell gibt es trotz gegenteiliger Testergebnisse bei Qualität und Sensorik. Und das hat einen simplen Grund. "Der größte Einflussfaktor ist immer noch die Rasse des Tieres", erklärt Dr. Klaus Fischer, Agrarbiologe am Max-Rubner-Institut in Kulmbach. Biobauern züchten in der Regel andere Tierrassen als konventionelle Betriebe. Rassen wie das Schwäbisch-Hällische Landschwein sind nicht für maximalen Fleischertrag optimiert – sie sollen in erster Linie lecker schmecken. Ihr Fettgehalt ist oft höher als der konventioneller Tiere. Das klingt zunächst abschreckend, doch der Geschmack profitiert davon. "Der Fettgehalt eines Magerfleischstückes sollte bei 5 bis 10 Prozent liegen", so Fleischermeister Andreas Dreymann aus Ahrensburg bei Hamburg, der in seiner Metzgerei unter anderem Fleisch von Galloway-Rindern anbietet. Stimmt der Fettgehalt, stimmt auch das Aroma – bei niedrigerem Fettgehalt schmeckt das Fleisch neutraler und auch trockener. Eine Schweizer Studie ergab zudem, dass Biofleisch mehr Omega-3-Fettsäuren enthält. Die schützen Gefäße vor Arteriosklerose, beugen Herzerkrankungen vor.
Übrigens: Auch Bauer Ramcke hält sich nur ausgewählte Schweinerassen, die auch in Biobetrieben anzutreffen sind: deutsche Landrasse, Duroc, Angler-Sattel-Schwein und Schwäbisch-Hällisches Schwein.
Direktvermarktung statt Supermarkt
Ramckes Erfolgsgeheimnis heißt Direktvermarktung. Zusammen mit Ehefrau Katrin, seinen Eltern und seiner Schwester betreibt Bauer Ramcke einen Hofladen und einen Partyservice, er hat Stände auf 2 Märkten und beliefert Stammkunden an deren Haustür. Da Familie Ramcke fast alles direkt an die Kunden verkauft, entfällt auch der Zwischenhandel im Supermarkt, der die Preise für den Verbraucher erhöht. Gleichzeitig verdient der Landwirt mehr, denn der Supermarkt zahlt den Bauern statt 20 Cent pro Ei nur 6 Cent.
„In den Supermarktketten und bei den Zwischenhändlern wird in der Regel das meiste Geld verdient“, sagt Ramcke. So verdient ein konventioneller Schweinemäster, der sein Fleisch über Edeka, Rewe & Co. vermarktet, pro Tier 20 bis 25 Euro. Thorsten Ramcke dagegen macht rund 50 Euro Gewinn und kann es sich gleichzeitig leisten, seinen Tieren bessere Lebensbedingungen zu ermöglichen. Statt 5 Monate wie in der Intensivmast leben die Schweine auf Hof Ramcke 6 bis 8 Monate. Die Masthähnchen erreichen sogar das doppelte Alter: 70 statt 35 Tage. Ihre Fleischqualität verbessert sich in dieser Zeit. „Das Fleisch schrumpft in der Pfanne nicht so sehr und wölbt sich kaum nach oben“, erklärt der Landwirt.

Massentierhaltung gibt's auch bei Biobauern © Dusan Petkovic / Shutterstock.com
Schweine kauern in winzigen Boxen ohne Einstreu auf dem nackten Estrich. Tausende Hühner, die in einer engen Halle zusammengepfercht sind, kaum Federn am Leib haben und elend dahinvegetieren. Schlimme Bilder. Es sind Bilder aus der TV-Reportage "Wie billig kann bio sein?". Ein Fernseh-Team der ARD war unterwegs auf deutschen Biohöfen und hat die Zustände dort dokumentiert. Da muss die Frage erlaubt sein: Ist Biofleisch besser – für die Gesundheit und für das Gewissen? Aus zwei Gründen ist die Ökowelt nicht automatisch ein Paradies für Tiere.
Erstens: "Man darf sich die Biotierhaltung nicht nostalgisch auf grünen Wiesen vorstellen", mahnt Armin Valet, Lebensmittel-Experte bei der Verbraucherzentrale Hamburg. "In sehr vielen Betrieben geht’s nicht um Idealismus, sondern darum, Geld zu verdienen." Auch in Biobetrieben. So dürfen etwa bei der Bio-Mast bis zu 20 000 Tiere in einer großen Halle leben. Bio ist zwar tiergerechter als konventionelle Haltung, Massentierhaltung ist dennoch erlaubt.
Zweitens: gibt es schwarze Schafe auch unter den Biolandwirten. "Es gibt Betriebe, die es mit den Vorschriften nicht so genau nehmen", weiß Valet. So kann es etwa passieren, dass Tiere weniger Platz haben als vorgeschrieben, weniger Auslauf im Freien bekommen, weniger Einstreu in den Ställen haben oder nicht das Futter erhalten, das sie laut Gesetz kriegen müssten. Valet: "Es findet zwar eine zweigleisige Kontrolle von Biobetrieben durch Behörden und Ökokontrollstellen statt." Dennoch passiert es, dass Mäster die Vorschriften teilweise ignorieren, ohne gleich erwischt zu werden. Bei den Verstößen gegen die Verordnung geht es natürlich um Geld.
Bio vs. konventionell: Rechnen sich die Preisunterschiede?
Oft wird der Preisdruck bei Lebensmittel-Discountern wie Aldi oder Lidl dafür verantwortlich gemacht, dass auch die Bioprodukte so billig wie möglich produziert werden. Muss man als Verbraucher also skeptisch sein, wenn Biowurst im Supermarkt lediglich 30 Prozent teurer ist als konventionelle Ware? "Muss man nicht", sagt Professor Troeger. "Biorindfleisch ist heute nicht mehr wesentlich teurer als das konventionell erzeugte." Anders sieht es beim Schwein aus. "Bioschweinefleisch ist erheblich teurer als konventionelles, weil da teures Biogetreide verfüttert werden muss", erläutert Troeger. Enthält die Wurst also Bioschwein, sind 30 Prozent Mehrpreis zu wenig – es sei denn, es handelt sich um billige Importware. Aber die will man ja nicht unbedingt haben.
Was den gesundheitlichen Nutzen für den Verbraucher angeht, gibt’s keinen Unterschied, von möglichen Lebensmittel-Skandalen mal abgesehen. "Biofleisch ist nicht nachweislich gesünder als konventionelles Fleisch", sagt Professor Troeger. Sie tun also in erster Linie den Tieren und der Umwelt einen Gefallen.
Wie kann die große Nachfrage nach Fleisch gestillt werden?
Das reiche Angebot an Fleisch wird von den Deutschen dankend angenommen © Billion Photos / Shutterstock.com
Die Deutschen mögen Fleisch. Dementsprechend hoch ist die Nachfrage. Um diese zu decken, entstehen immer größere Mastanlagen. Jeder Deutsche "verbraucht" in seinem Leben im Durchschnitt 1094 Tiere: 4 Rinder, 4 Schafe, 12 Gänse, 37 Enten, 46 Schweine, 46 Puten und 945 Hühner. Zu diesem Ergebnis kommt der "Fleischatlas 2013", eine Faktensammlung von Heinrich-Böll-Stiftung, Le Monde Diplomatique sowie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). 80 Millionen Bundesbürger brauchen im Leben also rund 90 Milliarden Tiere – oder anders gerechnet: mehr als 1 Milliarde jährlich. Die meisten dieser Tiere wachsen tatsächlich in Deutschland auf. Um der großen Nachfrage gerecht zu werden, entstehen immer größere Mastanlagen. Oft stehen bis zu 40 000 Hühner beziehungsweise 2000 Schweine unter einem Dach und werden innerhalb von möglichst kurzer Zeit auf Schlachtgewicht gebracht. Spitzenreiter unter den Bundesländern ist Niedersachsen mit mehr als 20 Millionen Masthähnchen und über 1 Million Mastschweinen. Die größte Geflügelanlage im Landkreis Vechta beherbergt rund 630 000 Hähnchen. Der größte Geflügelschlachthof im niedersächsischen Wietze ist pro Stunde Endstation für 27 000 Hähnchen, das sind etwa 135 Millionen Tiere pro Jahr.
Wie wird man satt, ohne dass es auf Kosten der Tiere geht?
Einfach wäre es zu sagen: Vegetarier werden. Es spricht ernährungstechnisch jedoch auch einiges dafür, Fleisch zu essen, etwa der hohe Gehalt an Vitamin B, Eisen und Proteinen. Es wäre aber schon ein Anfang, wenn alle darauf achten, nur so viel zu kaufen, wie sie essen, denn: Etwa die Hälfte unserer Lebensmittel landet auf dem Müll, berichten die Autoren Stefan Kreutzberger und Valentin Thurn ("Die Essenvernichter", Kiepenheuer & Witsch, um 17 Euro).

Je weniger Fleisch Sie wegschmeißen, desto weniger Tiere müssen geschlachtet werden © Mark Agnor / Shutterstock.com
Rund 20 Millionen Tonnen Essen pro Jahr werden in Deutschland weggeschmissen. Wenn Sie weniger Fleisch in den Mülleimer pfeffern, sorgen Sie automatisch dafür, dass weniger Tiere ein trostloses Leben als eingepferchte Fleischlieferanten führen. Wenn Sie darüber hinaus beim Kauf auf Produkte aus der Massentierhaltung verzichten, helfen Sie, die Anwendung von Medikamenten einzudämmen. In größeren Mastbetrieben breiten sich Infektionskrankheiten rasch aus, müssen dann behandelt werden. Gern und oft werden Antibiotika auch verwendet, wenn überhaupt keine Erkrankung vorliegt. In der Hähnchenmast erhalten nicht selten alle Tiere, die zusammen in einer Mastanlage untergebracht sind, Medikamente über das Trinkwasser, auch wenn nur wenige tatsächlich Krankheitssymptome aufweisen.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz kam zu dem Ergebnis, dass 2011 in Deutschland 1734 Tonnen Antibiotika an Tiere verabreicht worden sind. Schätzungen zufolge ist das etwa doppelt so viel wie im Jahr 2005 – ein dramatischer Anstieg! Indirekt gefährden diese Medikamente die Gesundheit der Verbraucher, denn durch den häufigen Einsatz bleiben immer mehr resistente Bakterien übrig, die sich mit Antibiotika nicht behandeln lassen. Diese Keime können beim Menschen dann lebensgefährliche Infektionen auslösen. Ein Grund mehr, auf Fleisch auszuweichen, das nach Ökorichtlinien erzeugt worden ist.
Bio oder öko: Das bedeuten Begriffe aus dem Lebensmittelhandel
Was bedeutet biologisch-dynamisch und biologisch-organisch? Sie haben keinen Schimmer? Wir erklären die wichtigsten Begriffe aus dem Lebensmittelhandel

Bei Fleisch immer genau das Etikett checken. Allerdings sind die Begriffe mitunter schwer zu deuten. © Monkey Business Images / Shutterstock.com
Biologisch bzw. ökologisch: Diese Begriffe sichern im Sinn der EU-Verordnung Mindeststandards. Demnach müssen Bioprodukte naturschonend (ohne Pflanzenschutzmittel, Mineraldünger, Wachstumsbeschleuniger) und ohne Gentechnik, künstliche Aromen, Farbstoffe und Geschmacksverstärker produziert werden.
Biologisch-dynamisch: Die Formulierung geht zurück auf landwirtschaftliche Grundsätzen, die Rudolf Steiner 1925 formuliert hat. Der Begründer der Anthroposophie sah im landwirtschaftlichen Betrieb einen Organismus, der sich selbst versorgt und alle Kraft des Ackerbodens nutzt. Hier gelten höhere Anforderungen als bei der EU-Verordnung.
Biologisch-organisch: Hier geht es um Naturschutz, um gesunde Ernährung und darum, die ländliche Lebensweise in der industrialisierten Welt zu retten. Grundlage des in den 1950ern entstandenen Begriffes waren wissenschaftliche Ansätze, die das Potenzial der Mikroorganismen im Boden für die Bebauung aufzeigten. Anforderung ähnlich wie bei biologisch-dynamisch.
Integrierter Landbau: Weniger streng als bio und öko. Diese Begrifflichkeit versucht ein Gleichgewicht herzustellen zwischen dem Umweltschutz und der Wirtschaftlichkeit, indem natürliche Düngung und Bewässerung in Produktionsabläufe integriert werden. Ist (anders als bio) rechtlich nicht geschützt. Keine gesetzlichen Mindeststandards. Pflanzenschutzmittel sind hier erlaubt.
Kontrollierte Qualität: Klingt vertrauenerweckend, ist jedoch Dampfplauderei ohne Wert. Diese Formulierung ist nicht gesetzlich geregelt, dient meist nur Marketing-Zwecken. Schließlich kann jeder Anbieter kontrollieren, was er will (oder eben nicht). Oft bleibt unklar, was überhaupt von wem wie oft geprüft wird. Das Beste ist also, Sie lesen Sie das Kleingedruckte – oder fragen nach.
Fazit: Lohnt sich Bio?
Trotz schwarzer Schafe im Bio-Bereich müssen wir sagen: Bio-Fleisch zeugt generell immer von einer artgerechten Tierhaltung. Bio-Fleisch enthält darüber hinaus weniger Rückstände und ist besser für die Umwelt. Und auch Ihr Gewissen können Sie ein wenig erleichtern, wenn Sie zu Bio-Fleisch statt zu billigem Discounter Fleisch aus dem Supermarkt greifen Alternative: Wer nicht bio kaufen will oder kann (Preis), sollte sich am besten (s)einem Metzger des Vertrauens suchen, der genau weiß, woher sein Fleisch kommt. Fleisch sollte eh nur 2-3 die Woche auf den Tisch kommen, also kein Grund zu Massenware zu greifen. Kaufen und essen Sie Fleisch wieder bewusster! Vegetarier muss niemand werden, aber vielleicht Flexitarier? Die essen Fleisch und Fisch - aber eher auf Teilzeitbasis - und achten bewusst auf die Herkunft. Ein guter Kompromiss.