Du kannst kaum sitzen, aber auch jedes Aufstehen schießt dir durch Mark und Bein. Lachen? Autsch, heute lieber nicht. Fühlst du dich jetzt wie ein junger Sport-Gott und kannst es kaum erwarten, deine geschundenen Muskeln wieder spielen zu lassen? Oder gehörst du zu denjenigen, die jetzt am liebsten zwei Tage die schweren Beine hochlegen? Bei Muskelkater scheiden sich die Sportgeister: Die einen trommeln sich stolz auf die Brust und nehmen es sportlich, als absolute Bestätigung ihrer Fitnesskompetenz und Performance im Gym, während die anderen sich ärgern, dass sie jetzt mindestens zwei Tage leiden und regenerieren müssen. In beiden Fällen steckt meistens Unwissenheit dahinter, was Muskelkater eigentlich bedeutet. Das klären wir hier und verraten dir, was deine Muskeln jetzt wirklich brauchen.
Wie machen das eigentlich Sportler, die keine Wahl haben? Leistungssportler erzielen doch auch immer weiter Fortschritte, obwohl sie täglich mehrere Trainingseinheiten absolvieren. Auch Menschen, die hauptberuflich als Fitnesstrainer arbeiten, haben selten Pausen, wenn sie an fünf Tagen hintereinander mehrere Trainingseinheiten täglich absolvieren. Die Frage ist: Ist es wirklich vertretbar, Sport zu machen, wenn man starken Muskelkater hat? Schauen wir uns die Fakten einmal genauer an.
Was steckt genau hinter Muskelkater?
Sportwissenschaftler sprechen von Delayed Onset Muscle Soreness (DOMS), was übersetzt so viel bedeutet wie: verzögert einsetzender Muskelkater. Der macht sich sechs bis zwölf Stunden nach dem Training durch Schmerzen in Muskeln und angrenzenden Gelenke bemerkbar, sowie einer erhöhter Muskelspannung, Druckempfindlichkeit und mitunter auch Schwellungen. Vielleicht warst du schon einmal beim Blut abnehmen und es wurden erhöhte Entzündungswerte in deinem Blut nachgewiesen, die du dir nicht erklären kannst, weil du dich topfit fühltest? Das war dein Muskelkater. Deine Muskelfasern haben durch die sportliche Belastung mikroskopisch kleine Risse erlitten. Als Reaktion startet dein Immunsystem den Aufräum-Modus: In die Risse dringt Wasser ein und es bilden sich kleine, schmerzhafte Ödeme. Es handelt sich um eine Entzündung, also eine Immunreaktion, woraufhin sich der Körper an die Arbeit macht, den Schaden zu reparieren.
Du hast oft das Gefühl, dass die Schmerzen am zweiten Tag sogar noch schlimmer werden? Das bildest du dir nicht ein, denn nach 48 bis 72 Stunden erreicht der Muskelkater seinen Höhepunkt. Spätestens nach zehn Tagen ist auch der schlimmste Muskelkater meistens folgenlos verheilt. Falls nicht, solltest du ärztlich abklären lassen, ob es eventuell mehr dahintersteckt: Muskelfaserrisse und Zerrungen sind häufige Sportverletzungen.
Diese Schlüsselfrage verrät dir, ob du mit Muskelkater trainieren kannst
Logisch, wer Muskeln aufbauen und erhalten möchte, sollte sein Training keine Woche aussetzen, bis der schlimme Muskelkater vorüber ist. Das musst und sollst du auch gar nicht, denn: Grundsätzlich ist Sport sogar gut bei Muskelkater, da er die Durchblutung anregt. Dabei müssen Hobbysportler aber kreativ werden, denn die von Muskelkater betroffenen Regionen brauchen im Zweifel ihre Pause.
Insgesamt kommt es auf dein körperliches Empfinden an: Wenn du beispielsweise nach einem Tag mit Kniebeugen eine leichte Schwere in deinen Beinen spürst, kannst du zum Sport gehen. Sport bedeutet aber nicht gleich Training: Letzteres zielt immer auf eine Leistungsverbesserung beziehungsweise eine körperliche Anpassungsreaktion ab. Um herauszufinden, ob der Muskelkater für das Training zu groß ist, hilft es, sich ehrlich zu fragen: Was fühle ich und wie wirkt sich das auf meine Bewegungen aus?
Sobald du merkst, dass deine Beweglichkeit eingeschränkt ist, du starke Spannungen spürst und gegen regelrechten Schmerz ankämpfst, ist das Training zu viel. Konkret heißt das: Wenn du bei den Kniebeugen merkst, dass deine wunden Quadrizeps dich daran hindern, sauber tief herunterzugehen und sich dein Oberkörper nach vorn neigt, oder aber du beim Hantel-Rudern plötzlich Schwung brauchst, weil Rücken und Bizeps dicht machen, dann heißt es: Stopp!
Sofern sich der Muskelkater auf eine Körperpartie beschränkt, die du im nächsten Workout gut aussparen kannst: Los geht's. Du kannst natürlich jederzeit um deinen Muskelkater herum trainieren. Auch eine allgemeine, lockere Erwärmung schadet nicht, im Gegenteil. Bedenke jedoch, dass etwa beim Ziehen und Drücken auch Hilfsmuskeln gefordert sind und sich der Muskelkater auf die gesamte Körpermechanik auswirken kann, indem schmerzende Bereiche unbewusst geschont werden. Damit steigt das Verletzungsrisiko. Manchmal merkt man im Training, dass es eben heute doch nicht gut geht und dann sollte man auch auf seinen Körper hören. In diesem Fall wäre ein lockeres Kardiotraining, wie Schwimmen, Laufen oder Radeln, die sinnvollere Option.
Auf keinen Fall solltest du deine Muskeln bei akutem Muskelkater dehnen, weil das die Mikrotraumata in den Muskelfasern verschlimmern und sogar Verletzungen verursachen kann. Sofern die Schmerzen nicht zu stark sind, kannst du aber eine Faszienrolle nutzen, zur Förderung der Durchblutung.
Helfen Schmerzmittel gegen Muskelkater?
Viele Sportler greifen zu Ibuprofen und anderen Schmerzmitteln, um die Symptome des Muskelkaters zu lindern. Du fühlst dich vielleicht besser, bekämpfst so aber nicht die Ursache. Auf keinen Fall solltest du unter Schmerzmitteleinsatz Sport treiben: Beim Training werden die Muskeln verstärkt durchblutet und das geht zulasten der Durchblutung der Organe. Zudem belasten Schmerzmittel Magen und Nieren und beeinflussen den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt negativ, was sich ebenfalls ungünstig auf deine Leistungsfähigkeit und den Muskelkater auswirkt. Dehydration kann Muskelkater nämlich intensivieren. Zu diesem Schluss kommt eine im Journal of Athletic Training veröffentlichte Studie. Gleichzeitig drosseln Schmerzmittel natürlich das allgemeine Schmerzempfinden und daher die Warnfunktion des Körpers beim Training. Warum also solltest du als Hobbysportler um jeden Preis trainieren, wenn du dabei ohnehin keine Fortschritte zu erwarten hast? Trainierst du unter Schmerzmitteln, wirst du sicherlich nicht leistungsfähiger, im Gegenteil.
Was passiert, wenn ich mit Muskelkater trainiere?
Gibst du deinen Muskelfasern keine Zeit, zu heilen und reizt die kleinen Mikroverletzungen weiter, riskierst du im schlimmsten Fall Zerrungen, Muskelan- und abrisse. Im besten Fall dauert es einfach nur noch ein paar Tage länger, bis der Muskelkater verschwindet und du setzt deine Leistungsfähigkeit herab. Übrigens: Wer grundsätzlich zu häufig, lange und intensiv trainiert, riskiert Übertraining, das sich durch allgemeine Erschöpfungssymptome zeigt.
Sport kann den Heilungsprozess deiner Muskeln beschleunigen
Fakt ist: Beide Lager, also der Kämpfer, der entschlossen gegen den Schmerz antrainiert, als auch der Verletzte, der sich auf der Couch die Wunden leckt, liegen falsch. Die Lösung liegt, wie so oft, in der Mitte. Du solltest weder gegen den Schmerz arbeiten, noch solltest du dich auf deinem Muskelkater ausruhen.
Deine große Chance, den Genesungsprozess zu unterstützen, besteht darin, Blut durch die geschundenen Muskeln zu pumpen: Sauerstoffreiches Blut im wunden Bereich hilft den Immunzellen und -prozessen, die Nebenprodukte des Schadens (sogenannte Metaboliten) auszuspülen und die Schäden schneller zu beheben. Deshalb empfiehlt sich bei Muskelkater leichte Bewegung: Lockere Läufe, Schwimmen, Fahrradfahren, Yoga, ein aerobes Sportprogramm ohne schwere Gewichte oder auch bloß eine halbe Stunde Spazieren bringen das Blut in Schwung. Nach dem ersten Anlaufschmerz wirst du sofort spüren, wie gut leichte dynamische Bewegung tut – sofern du es nicht übertreibst. Sorge dafür, die Durchblutung im ganzen Körpers anzuregen und deine Körpertemperatur zu erhöhen. Das kannst du auch mit Saunagängen erreichen, einem heißen Bad oder auch mit einer Wärmflasche. Alternativ kannst du die Muskulatur auch mit ätherischen Ölen massieren.
So wird der Muskelkater erst gar nicht so schlimm
Damit es gar nicht erst dazu kommt, dass du dich fragen musst, ob du trainieren kannst, kannst du Muskelkater vorbeugen. Keine Sorge, dafür musst du weniger an deinem Training selbst ändern, sondern vor allem die Voraussetzungen dafür optimieren. Diese Schritte helfen dir dabei:
1. Setze auf ein umfassendes Warm-up in 3 Schritten
Grundsätzlich solltest du dich, um Verletzungen vorzubeugen, vor jedem Training gut aufwärmen. Das bedeutet, den Körper erstens allgemein auf Betriebstemperatur bringen, mit ein paar Minuten Kardiotraining. Zweitens folgt ein spezielles Warm-up mit dynamischen Dehnübungen, das den Körper auf die Bewegungsabläufe der geplanten Übungen vorbereitet und drittens die Übungen mit weniger Gewicht als dem späteren Arbeitsgewicht ausführen. So ein ausführliches Aufwärmprogramm kostet natürlich Zeit und viele skippen den einen oder anderen Schritt, um schneller und direkt ihr eigentliches Workout zu starten. Das Problem dabei ist, dass deine Muskeln noch nicht optimal mit Blut versorgt und erwärmt werden konnten, was den Schaden laut einer wissenschaftlichen Studie deutlich verringern kann. Also: Vorher gut aufwärmen und dehnen, nicht hinterher!
2. Sorge für guten und ausreichend Schlaf
Die wirkungsvollste Waffe gegen fiesen Muskelkater ist guter Schlaf, das auch unsere Men's-Health-Kollegen aus den USA. Sie haben einen Peloton-Trainer gefragt, der an fünf Tagen die Woche mehrere Trainingseinheiten gab. Ein wirklich heftiges Trainingspensum – doch die Priorisierung seiner Nachtruhe half ihm, das gut durchzustehen: "Jede Nacht sieben bis acht Stunden Schlaf zu bekommen, ist die beste Form der Genesung", sagt der Fitnesscoach Daniel McKenna. Dafür solltest du auf eine gute Schlafhygiene achten: Spät nichts Schweres mehr essen, keine Bildschirme anstarren kurz vor dem Schlafen und ein gutes Raumklima helfen neben entspannenden Abendritualen.
3. Setze Trainingsreize clever
Profisportler trainieren nicht nur fünf bis sieben Tage die Woche, sondern teilweise sogar mehrfach am Tag und machen dabei auch häufig noch dieselben Bewegungen. Dennoch schaffen sie es, Reize zu setzen und ihre Leistung stetig zu verbessern. Wie machen die das? Durch ein ausgeklügeltes Training. Wer häufig trainiert, muss die fünf motorischen Fähigkeiten abwechselnd trainieren: Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination. Im Fitnessstudio kann das auch bedeuten, auf einen guten Split-Plan zu setzen. Erst nachdem du festgelegt hast, wie häufig du an die Gewichte gehst, entscheidest du, wie kleinteilig du bei deinem Training vorgehst. Du hast etwa die Möglichkeit, deinen Ober- und Unterkörper im Wechsel zu trainieren oder Zug- und Druckübungen clever aufzusplitten. Dadurch kannst du täglich andere Muskeln fordern und den von Muskelkater betroffenen mehrere Tage Pause einräumen.
4. Trainiere regelmäßig
Anfänger leiden eher unter Muskelkater: Logisch, für Ungeübte verursachen die neuen Muskelreize mehr Anpassungsstress – und demnach mehr Muskelkater. Dasselbe gilt, wenn man eine Weile nicht im Fitnessstudio war. Deswegen sind konsequente Trainingseinheiten das beste Rezept gegen Muskelkater. Dabei solltest du dich aber nur langsam steigern.
Fazit: Sport ja, Training nein
Umfassendes Aufwärmen und Dehnen vor dem Sport halten den Muskelkater im Zaum. Anstelle von Schmerzmitteln solltest du dich lieber ausschlafen und die Durchblutung deiner schmerzenden Muskeln durch verschiedenen Maßnahmen fördern. Das kann moderate Bewegung ohne Gewichte sein. Leichter Sport hilft sogar eher bei Muskelkater als das Abwarten auf der Couch. Dein Krafttraining sollte allerdings pausieren, sobald du merkst, dass du starke Schmerzen und Bewegungseinschränkungen hast. Dann müssen deine Muskelfasern zunächst heilen und im Gym kannst du jetzt nichts gewinnen, sondern schadest nur deiner Regeneration.
Verwendete Quellen:
Law, Roberta Y.W.; Herbert, Robert D. (2007): Warm-up reduces delayed-onset muscle soreness but cool-down does not: a randomised controlled trial. In: Australian Journal of Physiotherapy, Volume 53, Issue 2. URL: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0004951407700417, zuletzt abgerufen am 24.04.2024.
Cleary, MA; Sweeney, LA; Kendrick, ZV; Sitler, MR (2005): Dehydration and symptoms of delayed-onset muscle soreness in hyperthermic males. In: Jorunal of Athletic Training, Volume 40, Issue 4. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1323290/, zuletzt abgerufen am 24.04.2024.