Jeder Mensch ist unterschiedlich: Der eine sprüht vor Energie, der andere wirkt motivationslos und müde. Das kann ganz normal sein, ist aber manchmal auch ein Hinweis auf eine Schilddrüsenerkrankung. "Viele Schilddrüsenunterfunktionen und -überfunktionen bleiben unentdeckt. Bei etwa jedem Dritten kann in Deutschland eine Schilddrüsenerkrankung festgestellt werden", sagt Prof. Hans Udo Zieren, Ärztlicher Direktor des Deutschen Schilddrüsenzentrums. Dabei kann sich sowohl eine Unter- als auch eine Überfunktion auf deine Leistungsfähigkeit im Training auswirken – und bei starker Ausprägung richtig schädlich werden.
>>> So beeinflussen die Zähne deine sportliche Leistung
Die Schilddrüse liegt unterhalb des Kehlkopfes vor der Luftröhre und hat die Form eines Schmetterlings. In der Schilddrüse werden verschiedene Hormone gebildet – die zwei wichtigsten sind Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3). "Vereinfacht ausgedrückt sind Schilddrüsenhormone Energielieferanten für viele unserer Zellen", sagt Zieren. Ein Teil dieser Hormone nimmt dein Körper in die Zellen auf, wo sie den Stoffwechsel aktivieren. Sie beschleunigen unter anderem den Herzschlag, regeln den Blutdruck und wirken auch auf die Psyche.
Normalerweise hält der Körper die Hormonausschüttung im Gleichgewicht. Eine gesunde Schilddrüse produziert täglich etwa 80 bis 100 Mikrogramm T4 und 10 bis 40 Mikrogramm T3. Doch bei manchen Menschen werden zu viele oder zu wenige Schilddrüsenhormone ausgeschüttet. Die Rede ist dann von einer Über- oder Unterfunktion.
Oft ist eine Schilddrüsenüberfunktion – auch Hyperthyreose genannt – eine Folge von anderen Krankheiten. Die Basedowsche Erkrankung ist laut Zieren eine der wichtigsten Ursachen: Bei der Autoimmunkrankheit bildet der Körper Antikörper gegen Teile der Schilddrüse, die sogenannten TSH-Rezeptoren. Dadurch produziert deine Schilddrüse mehr Hormone.
Eine andere typische Ursache ist die Schilddrüsenautonomie, bei der sich deine Schilddrüse nicht mehr an die eigentliche Regulierung hält und zu viele Hormone ausschüttet. "Manchmal kommt es auch vor, dass Ärzte zum Beispiel nach einer Operation zu hohe Dosen an Schilddrüsenhormonen verschreiben", sagt der Arzt. Eine seltene Ursache ist eine Schilddrüsenentzündung, bei der durch den Zellzerfall zu viele Schilddrüsenhormone freigesetzt werden.
>>> 7 Schmerzen, die du nicht ignorieren solltest
Auch eine Unterfunktion (Hypothyreose) kann verschiedene Ursachen haben. In manchen Fällen ist die Fehlfunktion angeboren und bildet sich im Mutterleib aus. Am häufigsten tritt eine Unterfunktion als Folge einer Hashimoto-Krankheit auf: "Die Hashimoto-Thyreoiditis führt meist auf Dauer zu einer Selbstzerstörung der Schilddrüse", betont Zieren. Die Entzündung kann zu einem Verlust von eigentlich gesundem Schilddrüsengewebe führen.
Das Gewebe kann auch durch eine Schilddrüsen-OP oder einer sogenannten Radiojodtherapie zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen zerstört oder entfernt worden sein. Selten kann auch die Regulation oder Produktion deiner Hormone gestört sein. Wenn du Medikamente zur Behandlung von einer Überfunktion bekommen hast, könnten diese zu hoch dosiert sein und so eine Unterfunktion ausgelöst haben.
Produziert dein Körper zu viele Schilddrüsenhormone, hat er auch zu viel Energie. "Bei einer Überfunktion laufen Körper und Seele 'übertourig'", so Zieren. Einige typische Symptome einer Schilddrüsenüberfunktion sind also Folgen davon, dass der Körper einen Überschuss an Energie hat:
>>> So aussagekräftig sind medizinische Selbsttests
"Eine Schilddrüsenunterfunktion ist genau das Gegenteil zu einer Überfunktion: Der Körper hat zu wenig Energie und dementsprechend weist er andere Symptome auf", sagt der Experte. Meist entwickelt sich eine Unterfunktion schleichend im Erwachsenenalter und macht sich erst später bemerkbar. Dabei können ganz unterschiedliche Symptome auftreten:
Das Problem an den beiden Erkrankungen der Schilddrüse ist, dass sie oft unentdeckt bleiben. Denn: "Eine Fehlfunktion der Schilddrüse kann so ziemlich alle denkbaren körperlichen und seelischen Beschwerden verursachen, muss sie aber auch nicht", sagt Zieren. Manche Symptome treten gar nicht auf, andere dafür stärker. In der Regel sind die Beschwerden bei einer Schilddrüsenüberfunktion stärker ausgeprägt als bei einer Unterfunktion. Deshalb fühlen sich Betroffene auch schneller krank.
Faustregel: Wenn zwei oder drei dieser Symptome gleichzeitig über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen auftreten, solltest du am besten zunächst beim Arzt eine Blutuntersuchung oder einen Ultraschall deiner Schilddrüse durchführen lassen. So lässt sich relativ leicht erkennen, ob du eine Fehlfunktion hast. "Spätestens, wenn man eine Vergrößerung am Hals spürt und entsprechende Symptome aufweist, sollte man zum Arzt“, betont Zieren.
>>> Das sollte jeder Mann über Bluthochdruck wissen
"Unentdeckte und unbehandelte Fehlfunktionen können auf Dauer sehr schädlich sein", sagt Schilddrüsen-Experte Zieren. Je schwerer die Erkrankung ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit in ein Koma zu fallen. Und dann kann es sehr gefährlich werden: "Bei einer sehr ausgeprägten Schilddrüsenunterfunktion oder -überfunktion können Patienten an den Folgen sterben", warnt Zieren. Das ist aber sehr selten. Wichtig ist jedoch, dass du spätestens bei konkretem Verdacht einen Arzt aufsuchst.
Je nachdem, ob man eine Unterfunktion oder Überfunktion hat, könnte sich der Mangel oder Überschuss an Energie negativ auf die Leistungsfähigkeit beim Sport auswirken", sagt Zieren. Wenn die Beschwerden bereits stärker ausgeprägt sind und die Fehlfunktion bekannt ist, solltest du im Training vorerst etwas weniger Gas geben. Gerade am Anfang nach der Diagnose lohnt sich eine Pause, auch wenn sich Patienten grundsätzlich wohlfühlen. Denn viele Schilddrüsenpatienten brauchen Zeit, um sich an das andere Belastungsniveau zu gewöhnen. Außerdem vermeidest du so, dass dein Herz-Kreislauf-System überlastet wird.
Vor dem Training ist eine Absprache mit einem Arzt sinnvoll – das gilt vor allem für Leistungssportler, weil ihre Behandlung womöglich an den Sport angepasst werden muss. Bei einer sehr akuten Hypo- oder Hyperthyreose mit schweren Beschwerden (Fieber, Schmerzen im Schilddrüsenbereich) raten Ärzte von Sport ab, weil der Körper viel Ruhe braucht, damit die Entzündung ausheilen kann. Bist du beschwerdefrei und sind deine Schilddrüsenwerte in Ordnung, kannst du dein Belastungsniveau wieder etwas erhöhen. Wichtig ist hierbei aber, dass du deine eigene Leistungsgrenze kennst und die Signale deines Körpers ernst nimmst und einen Gang runterfährst, wenn du wieder Beschwerden hast.
>>> So beugst du einem Herzinfarkt vor
Zwei Faktoren sind ausschlaggebend für die Wahl der Behandlung: die Ausprägung und die Ursache der Überfunktion. Grundsätzlich gibt es 4 verschiedene Therapiemöglichkeiten.
Bei einer Unterfunktion führt oft kein Weg an Medikamenten vorbei. Für gewöhnlich verabreichen Ärzte zum Ausgleich L-Thyroxin-Präparate. Dabei ist aber wichtig, dass du etwa 4 bis 8 Wochen, nachdem du die Tabletten erstmals eingenommen hast, deine Werte überprüfen lässt, weil die Dosierung von Mensch zu Mensch verschieden ist. "Wenn man an einer Hashimoto-Thyreoiditis erkrankt ist und eine Unterfunktion hat, ist meist eine lebenslange Einnahme von künstlichen Schilddrüsenhormonen erforderlich", sagt der Experte.
Bei richtiger Dosierung treten meist keine Nebenwirkungen auf. Allerdings spüren manche Patienten trotz Medikamente und guter Blutwerte aber noch die Symptome einer Unterfunktion. Tritt das bei dir auf, wird dir dein Arzt möglicherweise empfehlen, dass du die Dosis aufteilst oder zu anderen Tageszeiten einnimmst.
>>> Das solltest du über das Männerhormon Testosteron wissen
Viele der Beschwerden einer Unter- und Überfunktion treffen auch auf andere Krankheiten zu oder können sogar auch ohne Erkrankung gelegentlich auftreten. Daher ist es schwierig, eine Fehlfunktion der Schilddrüse frühzeitig zu erkennen. Treten mehrere Symptome über einen längeren Zeitraum auf, solltest du dich beim Arzt untersuchen lassen – spätestens, wenn der Hals dicker ist. Denn egal ob du zu viel oder zu wenig Energie hast: Es kann sich negativ auf deine Leistungsfähigkeit auswirken und im schlimmsten Fall lebensbedrohlich sein.