Um das Thema Beschneidung ranken sich viele Mythen: Ein beschnittener Penis soll vor Krankheiten schützen und sogar zu besserem Sex verhelfen. Wir haben Experten befragt, inwieweit das stimmt und welche Gründe wirklich für und welche gegen eine Vorhautentfernung sprechen.
Warum werden Männer beschnitten?
Weltweit sind etwa 30 Prozent aller Männer beschnitten, so die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO, in Deutschland sind es schätzungsweise 10 Prozent. Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche wurden bereits als kleine Jungen beschnitten, vor allem aus religiösen Gründen. Das Entfernen der Vorhaut wurde bereits von den alten Ägyptern praktiziert und gehört noch heute zur religiösen Tradition von gläubigen Juden und Muslimen. Auch in vielen afrikanischen Ländern ist die sogenannte Zirkumzision Teil der kulturellen Identität und dient als Initiationsritus für junge Männer.
Kurios: In den USA war die Beschneidung von neugeborenen Jungen bis in die 1970er-Jahre beinahe selbstverständlich, da das beschnittene Glied als besonders hygienisch galt und die Beschneidung als eine Art Vorab-Therapie für die verpönte Selbstbefriedigung gesehen wurde. Heute sind die Zahlen dort allerdings rückläufig, denn es gibt inzwischen durchaus Kritik an der Beschneidung von Kindern: Einige fühlen sich als Erwachsene unwohl mit ihrem beschnittenen Penis und hätten die Entscheidung für oder gegen die Vorhaut lieber selbst getroffen.
Wenn sich erwachsene Männer entschließen, den Eingriff durchführen zu lassen, haben sie entweder religiöse, kosmetische oder medizinische Beweggründe. Ersteres ist vor allem dann der Fall, wenn ein Mann zu einem anderen Glauben konvertiert, der die Beschneidung vorsieht. Andere finden das beschnittene Glied einfach ästhetischer – möglicherweise, weil es an den erigierten Penis erinnert oder weil der oder die Partner:in den Wunsch nach einer Beschneidung äußert. Medizinische Gründe für eine Zirkumzision liegen insbesondere dann vor, wenn Vorhaut und Eichel sich wiederholt entzünden (Balanitis) oder eine Vorhautverengung (Phimose) besteht. So gefährlich sind Entzündungen an der Vorhaut
Wann ist eine Beschneidung sinnvoll?
Die Vorhaut ist ein Produkt der Evolution. Ihre Entstehung verdankt sie weniger zwingender Notwendigkeit, vielmehr ist sie eine luxuriöse Sonderausstattung. Am deutlichsten zeigt sich das bei der Beschneidung – sie ist auf den ersten Blick folgenlos. Keine Sorge also, wenn dein:e Ärzt:in dir vorschlägt, die Vorhaut zu entfernen: Du kannst die paar Zentimeter Haut gut entbehren.
Vor allem, wenn eine Vorhautverengung vorliegt, ist eine Beschneidung häufig unumgänglich, da sich durch die Verengung der Hautlappen nicht mehr optimal zurückziehen lässt. Dadurch kann es zu Komplikationen beim Sex und auch bei der Harnentleerung kommen.
Außerdem führt das sogenannte Smegma, eine unter der Vorhaut angesammelte Mischung aus Haut-, Urin- und Spermaresten, nicht selten zu einer Entzündung der Eichel und schließlich zur Bildung von Narben.
Weitere medizinische Gründe für eine Beschneidung sind wiederkehrende Entzündungen der ableitenden Harnwege (Urethritis, Zystitis) oder der sogenannte Spanische Kragen. Darunter versteht man einen urologischen Notfall, bei dem die verengte Vorhaut die Eichel des Penis einklemmt. Dieser auch Paraphimose genannte Vorfall macht einen sofortigen chirurgischen Eingriff nötig, da die Vorhaut ohne Behandlung so stark anschwellen kann, dass die Eichel abstirbt.
Welche Beschneidungsarten gibt es?
Bei der Beschneidung muss nicht zwangsläufig die komplette Vorhaut entfernt werden. Mediziner unterscheiden folgende Formen der Zirkumzision:
- Inzision: Durch einen kleinen Schnitt in den Hautlappen lässt sich dieser wieder zurückziehen. Die Vorhaut bleibt dabei erhalten.
- Teilweise Zirkumzision: Es wird nur ein kleiner Hautlappen abgetrennt. Die Eichel bleibt, zumindest zum Teil, von der Vorhaut bedeckt. Jedoch bildet sich bei jedem fünften bis zehnten Patienten eine erneute Vorhautverengung, wenn nur der narbige Schnürring am Ende der Vorhaut entfernt wird.
- Radikale Zirkumzision: Die Vorhaut wird komplett entfernt und die Eichel dabei vollständig freigelegt. Sichtbar wird eine feine Naht in Höhe der Furche zwischen Eichel und Penisschaft. Diese Methode ist die sicherste und zugleich hygienischste Form der Beschneidung. Wichtig zu wissen: Einmal durchgeführt, ist eine Beschneidung kaum reversibel. "Die herausgeschnittene Haut muss dann durch eine sogenannte Verschiebeplastik ersetzt werden. Dazu wird Gewebe aus der umliegenden Körperregion in diesen Bereich verlagert", erklärt Professor Andreas Gross, Chefarzt der Urologie der Asklepios-Klinik in Hamburg-Barmbek.
Was sind die Vor- und Nachteile eines beschnittenen Penis?
Zu den Vorteilen einer Beschneidung gehört, dass sich das Risiko für Entzündungen der ableitenden Harnwege und durch Geschlechtsverkehr übertragene Krankheiten verringert. Die Gefahr einer HIV-Infektion beim Sex sinkt um 60 Prozent, so eine Analyse der WHO. Möglicher Grund: Die Vorhaut ist besonders verletzungsgefährdet, was sie sehr anfällig für Viren macht.
Natürlich ersetzt eine Beschneidung nicht das Kondom. Die Forscher:innen der WHO sehen das Ganze eher global: 5,7 Millionen Infektionen und 3 Millionen Todesfälle könnten innerhalb von 20 Jahren vermieden werden, wenn alle männlichen Jugendlichen im südlichen Afrika beschnitten werden würden.
Weiterer Vorteil der Zirkumzision: Für deine Sexpartnerin verringert sich die Gefahr einer Ansteckung mit HPV (humane Papillomviren) deutlich. Dieses Virus ist unter anderem für Schleimhautinfektionen und Feigwarzenbildung verantwortlich und erhöht ihr Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken.
Nachteile sind die Risiken, die sich auch bei unter optimalen medizinischen Bedingungen durchgeführten Beschneidungen nicht ausschließen lassen. Dazu gehören, auch wenn sie sehr selten auftreten, Gefäß- und Nervenschädigungen, die zum Verlust der Empfindsamkeit des Penis bis hin zu Erektionsstörungen führen können.
Apropos: Diese Penis-Fakten sollte jeder Mann kennen.
Was ist anders beim Sex ohne Vorhaut?
Wie sich eine Beschneidung auf das Sexleben auswirkt, ist umstritten. Offenbar ist es ein Mythos, dass beschnittene Männer mehr Lust empfinden als unbeschnittene. Denn kanadische Wissenschaftler:innen haben in einer Studie beschnittene und unbeschnittene Männer untersucht, jeweils in erregtem und normalem Zustand. Ergebnis: kein Lust-Unterschied feststellbar. Berührungen und Impulse wie beispielsweise Schmerzen bewerteten alle Testpersonen gleich. "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Vorurteile über sensorische Unterschiede zwischen beschnittenen und unbeschnittenen Männern unbegründet sein könnten", so Studienleiterin Kimberley Payne vom Department of Psychology. Sie gibt allerdings zu bedenken, dass die Beschneidungsnarbe ein Faktor sein könnte, der indirekt auf die Empfindlichkeit des Penis wirkt, ähnlich der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs.
Und wie fühlt sich der Sex ohne Vorhaut an? Für manche Männer ist das beschnittene Glied anfangs noch gewöhnungsbedürftig, da es sich nackt und ungeschützt anfühlt, berichtet Männerarzt Professor Sommer. Zwei bis drei Wochen nach dem Eingriff kann man aber schon wieder sexuell aktiv werden, vorausgesetzt die Wunde ist vollständig verheilt. Auf das sexuelle Empfinden wirkt sich eine Beschneidung aber nicht aus.
In einem 2019 im Sexual Medicine-Magazin veröffentlichten Artikel wurden 29 Studien zum Thema Bescheidung weltweit analysiert. Ein Ergebnis war, dass in fast allen Studien Frauen beschnittene Penisse nicht nur aus hygienischen Gründen bevorzugten, sondern sie auch als attraktiver bezeichneten, selbst in Ländern, in denen Beschneidungen nicht zur Norm gehören.
Welche Risiken birgt eine Beschneidung?
Wie jeder chirurgische Eingriff bringt auch die Beschneidung die Gefahr von Komplikationen mit sich: Es können allergische Reaktionen auf das Betäubungsmittel auftreten sowie Schwellungen, Schmerzen und Blutungen im Bereich der Narbe.
Einige Männer berichten auch von Gefühlsstörungen im Bereich der Eichel. Möglicher Grund: Durch den Eingriff gehen sogenannte Nervenendigungen (Verbindungen zwischen den Nerven in der Haut) verloren, was wiederum das Lustgefühl verringert.
Erfordert ein Penis ohne Vorhaut mehr Hygiene?
Im Gegenteil, die Reinigung eines beschnittenen Penis fällt leichter, da sich automatisch weniger Bakterien anlagern können. Zwar können Talg, Urin und abgestoßene Hautzellen unter der Vorhaut zu einer übel riechenden, weißlichen Masse namens Smegma zusammenklumpen, die unter dem Ruf steht, Penis- und Gebärmutterhalskrebs zu begünstigen.
Um dem vorzubeugen, bedarf es aber keiner Entfernung der Vorhaut – gründliches Duschen reicht völlig aus. "Die Entstehung von Smegma weist in erster Linie auf mangelnde Hygiene hin", erklärt Dr. Helmuth Schuster, Facharzt für Urologie in Hamburg. "Wer sich gründlich genug pflegt, braucht vor Smegma und den Risiken, die damit zusammenhängen können, keine Angst zu haben."
Was ist bei einer Beschneidung zu beachten?
Es dauert etwa zwei Wochen, bis die Wunde abgeheilt ist. Eventuell auftretende Schwellungen können mit Entzündungshemmern, Schmerzmitteln und Sitzbädern behandelt werden. Sollten während der Heilungsphase Rötungen oder Fieber auftreten, empfiehlt es sich, den Urologen oder die Urologin zu konsultieren. Fäden müssen in der Regel nicht gezogen werden, da das verwendete Material selbstauflösend ist. Sei vorsichtig, wenn du zum ersten Mal nach der Operation Sex hast und verwende eine Gleitcreme.
Übrigens: Die Kosten für eine medizinisch begründete Zirkumzision werden von der Krankenkasse übernommen, eine kosmetisch oder religiös motivierte Beschneidung musst du selbst bezahlen. Urolog:innen rechnen in diesem Fall nach der GOÄ (Gebührenordnung für Ärzte) ab. Je nachdem, ob die Operation unter lokaler Betäubung oder Vollnarkose stattfindet, sind in der Regel zwischen 200 und 850 Euro fällig.
Solltest du unter einer leichten Vorhautverengung leiden und nur bei der Intimhygiene, nicht aber beim Sex Probleme haben, kannst du auch versuchen, die Phimose mit Cortison- oder Dexpanthenol-Salben zu behandeln. Tritt nach etwa einem Monat keine Besserung ein, ist eine Operation angezeigt.
Wer kann eine Zirkumzision durchführen?
Such dir einen geübten Operateur oder eine Operateurin, der oder die im Jahr mindestens 15 bis 20 Beschneidungen durchführt. Ein ungeübter Arzt oder Ärztin könnte zu viel Haut entfernen – also nicht nur die Vorhaut, sondern auch Teile des Penisschafts. In diesem Fall wird eine aufwendige Hauttransplantation nötig, um den Fehler zu beheben. Am besten wendest du dich an niedergelassenes urologisches Fachpersonal oder an die urologische Fachabteilung in einer Klinik.
Fazit: Beschneidung? Ja, aber aus den richtigen Gründen
Eine Beschneidung kann aus religiösen, medizinischen oder kosmetischen Gründen gemacht werden und bringt gesundheitliche Vor- und Nachteile mit sich. Sie kann das Risiko von Infektionen senken, aber auch zu Komplikationen wie Sensibilitätsverlust führen. Die Empfindlichkeit beim Sex ändert sich aber meist kaum. Daher sollte man den Eingriff gut abwägen, vor allem wenn er aus kosmetischen Gründen gewünscht wird. Aber auch bei medizinischen Gründen sollte immer individuell entschieden werden – also: Erst mal alles mit einem/einer erfahrenen Ärzt:in besprechen!
Erwähnte Quellen:
Kimberley Payne et al. (2007): Sensation and sexual arousal in circumcised and uncircumcised men. The journal of sexual medicine, doi 10.1111/j.1743-6109.2007.00471.x, zuletzt abgerufen am 21.11.2024
Brian J. Morris et al. (2019): Sex and Male Circumcision: Women’s Preferences Across Different Cultures and Countries: A Systematic Review. Sexual Medicine, doi 10.1016%2Fj.esxm.2019.03.003, zuletzt abgerufen am 21.11.2024