Am 21. Juli ist es soweit, der Startschuß wird fallen und Maximilian Immer vom Team Alpecin in die Pedalen treten. Der Weg ist das Ziel, hier: die 135 Kilometer L’Étape du Tour von Albertville zum Skiort Chalets de Thorens auf über 2000 Meter Höhe.
Profis vom Team Alpecin bereiten Max und seine Kollegen auf die Aufgabe vor. Wie hart wird es, innerhalb von nur 4 Monaten als untrainierter Radfahrer auf ein Niveau zu kommen, um eine Tour de France Etappe zu bestehen? Im 2-teiligen Interview erzählt er von den Herausforderungen der Vorbereitung, seiner Motivation, seim ersten Bike-Fitting und sportlichen Krisenmomenten.
Teil 1
Men's Health: "Einen guten Fasan, Champagner und eine Frau" — das antwortete der französische Profi-Radrennfahrer und fünffache Toursieger Jacques Anquetil mal auf die Frage, wie man sich am besten auf ein Radrennen vorbeitet. Wie steht's bei Dir, genießt Du die heilige Dreifaltigkeit?
Maximilian: Alkohol ist nicht drin, und speziell Fasan habe ich auf meinem Speiseplan leider noch nicht entdecken können. Ich ernähre mich gegenwärtig nach der Ketogenen-Diät. Ich muss nämlich meinen Körperfettanteil runterfahren — je weniger Gewicht ich den Berg hochschleppe, desto einfacher. Außerdem nehme ich viele Vitamine, C, B und D. Sport ist Stress für den Körper und bei so vielen Einheiten, wie ich sie momentan absolviere, wird mein Immunsystem anfälliger. Statt Schampus gibt’s bei mir also eher "Schweiß, Blut und Tränen".
Und die Frau?
Ich muss halt super viel trainieren, 3 bis 4-mal in der Woche sitze ich nach der Arbeit abends aufm Fahrrad. Meine Freundin findet meine Challenge zwar generell gut, aber an den Tagen bleibt das Pärchenerlebnis auf der Strecke und muss zurückstecken.
Du hast noch nie an einem Radrennen teilgenommen. Warum willst du mit der beinharten L’Étape du Tour de France beginnen?
Wie oft hat man im Leben schon die Chance an einer echten Etappe der Tour de France teilzunehmen?! Ich habe die Tour bereits in der Kindheit verfolgt. Nach dem Tour-Sieg von Jan Ullrich 1997 habe ich das Team live miterlebt während einer Promo-Tour. Die Fahrer waren alle coole Charaktere. Als Kind identifizierte ich mich immer mit denen. Radsport hat mich seitdem nicht losgelassen. Deshalb hab ich nicht lange überlegt, sondern sofort zugesagt.

4 Monate vor dem Start, auf einer Skala von 1 bis 10 (= topfit): Wie schätzt Du dein gegenwärtiges Fitness-Level ein?
Ich glaube, ich bin im guten Mittelfeld, vielleicht auf einer 5. Momentan würde ich die Etappe also niemals schaffen. Dabei sind die 135 Streckenkilometer ja eigentlich nicht das Problem: es sind die 4500 Höhenmeter! Ab einem Fitnesslevel von 8, schätze ich, könnte ich die Strecke irgendwie bewältigen. In anderen Worten: Ich muss noch ordentlich ackern, um da hinzukommen.
Wie hast du dich bisher im Alltag fit gehalten?
Ich fahre immer mit dem Fahrrad zur Arbeit, insgesamt 18 Kilometer. Im Büro ist die Ansage 1 Mal pro Stunde Micro-Workouts zu machen. 10 Kniebeugen oder Liegestütze oder an der Klimmzugstange 1 Minute aushängen. Aber es gibt viel zu tun, wenn ich 4 Durchgänge am Tag schaffe, ist es schon gut gelaufen. Ab und an gehe ich in der Woche während der Mittagspause in den Sport-Keller und mache 1 Stunde Kraft- und Ausdauertraining.
Hast du mal Leistungssport betrieben?
Nein, in den vergangenen 2 Jahren habe ich jeweils einen Jedermann-10-Kampf absolviert. Ansonsten nur unterschiedlichen Ausdauer- und Kraftsport, im Durchschnitt 5 Einheiten unter der Woche.
Was ist deine größte Schwäche auf dem Fahrrad?
Die Ausdauer, die ist einfach nicht gut momentan. Ich bin eher ein Sprinter und Interval-Mensch. Ich werde in den nächsten Monaten also so viel auf dem Fahrrad sitzen wie möglich.
Was ist die größte Herausforderung bis zum Start?
Das ist einfach: die Organisation und Anforderung des Trainings an meinen Alltag. Bei der Leistungsdiagnostik während des Bike-Fittings haben sie gesagt, ich soll Einheiten von über 2 Stunden am Stück fahren. Mein Arbeitstag geht von 9:30 bis 18:30 Uhr, dazu kommt Frühstück und Abendessen — da strampel ich auf dem Rollentrainer entweder Abends oder Morgens die Nachbarn aus dem Bett. Und noch ist es morgens nicht hell genug, um draußen zu fahren; bei gutem Wetter fahre ich natürlich abends eine Einheit und bin dann um 22 Uhr Zuhause. Das geht. Aber das gute Wetter ist in Norddeutschland bisher rar.
Wie hast du das Problem gelöst?
Noch gar nicht (lacht). Ich lege demnächst mal ein paar Home-Office Tage ein und fahren dann über den Tag verteilt.

Du warst Anfang März mit dem Team Alpecin beim Kick-Off-Meeting in Bielefeld. Wie lief das ab?
Es gab mein erstes Bike-Fitting: das Fahrrad wurde auf mich eingestellt, dafür wurde der Abstand des Lenkers, Sattel und Pedalen zu meinem Körper vermessen. Danach ging es aufs Radergometer für eine Leistungsdiagnostik. Der Computer fährt dafür alle 3 Minuten die Belastung hoch und in den Intervallen wird Blut am Ohr abgenommen, um den Laktatwert zu messen. So diagnostiziert man die Leistungsfähigkeit des Körpers.
Wurde etwas festgestellt, was du nicht erwartet hattest?
Ja, ich habe verkürzte Oberschenkelrückseiten. Ich trat nämlich auf die Pedalen vor allem mit meinen Zehen, meine Haken habe ich beim runter treten der Pedale kaum benutzt wegen der Verkürzung. Das war ein Problem: Beim Radfahren ist diese sogenannte ischiocrurale Muskulatur nämlich für gut ein Drittel der Kraft zuständig. Ich muss jetzt viel Dehnen und massieren, dann sollte das besser werden.
Erzähl uns von dem Canyon-Rennrad, das du beim Bike-Fitting für die Bewältigung der Etappe bekommen hast.
Ich glaube, besser geht’s nicht. Da ist die neueste Technik dran — der Wahnsinn. Der Lenker ist etwas gebogen, damit die Handhaltung auch nach Stunden nicht ermüdet. Die Schaltung ist elektronisch und speist sich über vier Akkus, ein Fingerklick und der Gang ist drin, wie bei einem Formel-1-Auto. Das geht superschnell und ist präziser als die alten mechanischen Schaltungen. Ich sitze dann ab April auf einem Bike, das neu, glaub ich, um die 11.000 Euro kostet. Es ist richtig abgefahren, was Alpecin dem Jedermann-Team bietet.
>>> Im Teil 2 des Interviews erzählt Maximilian von seiner größten Angst, sportlichen Krisenmomenten und was Sie während des kommenden Trainingslagers im April von ihm erwarten dürfen…